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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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einzelne Träne rollte ihr über die Wange und tropfte auf den Tisch.
    Alayna legte ihr die Hand auf die Schulter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Es ist doch nicht deine Schuld, dass wir gehen müssen, Myn. Dass du diese Vision hattest, bedeutet nicht, dass du es bewirkt hast. Wir haben dir das doch schon öfter erklärt, erinnerst du dich?«
    »Ja«, sagte das Mädchen leise und wischte sich eine weitere Träne weg.
    »Du hast wirklich keine Schuld daran. Tatsächlich ist es sogar gut, dass wir jetzt schon Bescheid wissen, so dass wir uns vorbereiten und es den Leuten in der Stadt rechtzeitig sagen können.«
    Myn blickte auf. »Wirklich?«
    Alayna nickte und tätschelte Myns Wange. »Wirklich. Und jetzt wasch dich und zieh dich an, und dann machen wir uns an die Arbeit.«
    »Ja, Mama.« Myn stand auf, schlang sich wieder die Decke um die Schultern und ging dann in ihr Schlafzimmer.
    »Du zweifelst also nicht daran?«, fragte Alayna Jaryd und schaute ihrer Tochter hinterher.
    Jaryd schüttelte den Kopf. »Nein. Vor einem Jahr hätte ich das vielleicht noch getan, aber jede Vision, die sie seit dem letzten Frühjahr hatte, hat sich später bewahrheitet. Ich sehe keinen Grund, an ihr zu zweifeln.«
    Alayna strich sich durchs Haar. »Ich auch nicht.«
    Er seufzte. »Also werde ich jetzt das Pferd satteln.«
    »Das geht nicht.« Alayna schüttelte den Kopf. »Ich habe Myn versprochen, heute damit anzufangen, ihr das Reiten beizubringen.«
    »Das ist nicht unbedingt der günstigste Zeitpunkt.«
    »Ich weiß, aber ich habe es ihr schon den ganzen Winter versprochen. Und wer weiß, wann wir wieder Gelegenheit dazu bekommen werden, wenn wir jetzt nach Amarid reisen?«
    »Sie wird die nächsten vierzehn Tage reiten«, sagte Jaryd. »Ja, aber einer von uns wird hinter ihr sitzen. Du weißt, dass das nicht dasselbe ist.«
    Er starrte sie lange an und schüttelte den Kopf. Die Sonne, die durch ein kleines Fenster hinter ihm in die Küche schien, ließ ihre Augen glitzern. Sie waren braun und grün, wie ein Wald mitten im Sommer.
    »Weißt du eigentlich, wie schön du bist?«, sagte er und küsste sie.
    Sie grinste boshaft. »Bedeutet das, dass du zu Fuß in die Stadt gehst?«
    »Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben«, antwortete er lachend.
    »Dann solltest du dich auf den Weg machen. Wir haben viel zu tun.«
    Sie schob ihn zur Tür, aber nicht, bevor sie sich noch einmal geküsst hatten.
    Jaryd zog seine Lederschuhe an, die neben der Tür gestanden hatten, und ging hinaus in die kalte Morgenluft. Ein leichter Westwind zupfte an seinem Umhang und seinem Haar und brachte den vertrauten Geruch nach Brackwasser und Algen mit. Ein paar fedrige Wolken segelten über ihn hinweg, aber ansonsten war der Himmel beinahe so blau wie sein Ceryll. In vergangenen Wintern war er an solchen Tagen oft mit Ishalla an den Strand gegangen und hatte ihr beim Fliegen und Jagen zugesehen.
    Er schüttelte den Kopf. »Du tust dir selbst nicht gut«, sagte er laut. Er holte tief Luft und machte sich auf den Weg in die Stadt.
    Man brauchte für gewöhnlich eine knappe Stunde, um nach Lastri zu gelangen. Früher einmal war es ein angenehmer Weg einen schmalen Pfad entlang gewesen, der sich an hoch aufragenden Eichen, Ahornbäumen, Eschen und Ulmen vorbeizog. Hin und wieder bog sich der Weg zur Küste hin, und die Wälder wurden lichter und gestatteten dem Reisenden, einen Blick auf Aricks Meer zu werfen, dessen Wellen sich endlos an der felsigen Küste brachen. In den vergangenen Jahren hatte sich der Weg allerdings verändert, wie auch alles andere in Tobyn-Ser. Große Teile des wunderbaren Waldes waren abgeholzt worden, um das Holz dann nach Lon-Ser oder in einigen Fällen auch nach Abborij zu verschiffen. Wo die Bäume gestanden hatten, gab es nun kaum mehr als kahle Flecken von Felsen und Erde. Nur die Wurzeln und Baumstümpfe, die die Holzfäller zurückgelassen hatten, wiesen darauf hin, dass es hier einmal einen dichten Wald gegeben hatte. Man hatte den Pfad begradigt und verbreitert, so dass das Holz auf großen Wagen, die von Pferdegespannen gezogen wurden, in die Stadt gebracht werden konnte. Und Lastri selbst lebte nun beinahe vollkommen vom Holzhandel. Nach allem, was Alayna und Jaryd gehört hatten, war die Stadt inzwischen einer der größten Holzhäfen in Tobyn-Ser. Viele Menschen dort waren reich geworden, und es war schwer, in Lastri und Umgebung auch nur eine einzige Familie zu finden, die nicht irgendwie vom Abholzen des

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