Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
solchen Verdrehung der Tatsachen davonkommen?«
Shigeru begegnete dem Blick des jungen Mannes. Er hatte sich wieder unter Kontrolle und sprach mit gemessener Stimme.
»Or’ss-san, die Menschen werden Halbwahrheiten und Verdrehungen Glauben schenken, wenn sie zu dem passen, was sie glauben möchten. Die Senshi haben die unbegründete Furcht, dass ich ihnen ihre Macht nehmen will, und Arisaka weiß diese Furcht für sich zu nutzen.«
»Aber Arisaka glaubt das doch selbst nicht, oder?«, warf George ein.
»Arisaka glaubt etwas anderes«, erwiderte Shigeru. »Als der letzte Kaiser ohne Thronerben starb, glaubte Arisaka, er hätte statt meiner als Kaiser erwählt werden sollen.«
»Er war seit Monaten geschäftig«, erklärte Shukin, dessen Abneigung gegenüber dem Verräter Arisaka deutlich herauszuhören war. »Er säte Furcht und Unfrieden unter den Senshi und verbreitete die Lüge, dass mein Cousin seine eigene Klasse betrüge und vorhätte, dem gemeinen Volk Macht über sie zu verleihen. Sein unheilvolles Tun scheint leider Erfolg gehabt zu haben.«
»Wie alle Lügen beruht auch diese auf einem winzigen Korn Wahrheit«, sagte Shigeru. »Ich will tatsächlich die Menschen stärker daran Anteil nehmen lassen, wie das Land regiert wird. Aber Arisaka hat das leider völlig verzerrt dargestellt.«
Horace wandte sich an den Boten, bei dem es sich um einen der älteren Ratgeber handelte, die er am Palast von Ito kennengelernt hatte. »Ihr sagtet, zwei Klans hätten sich dieser Revolte angeschlossen«, stellte er fest. »Was ist mit den anderen? Was ist mit dem Klan des Kaisers?«
»Viele vom Klan des Kaisers sind bereits tot. Sie haben sich gegen Arisaka zur Wehr gesetzt und sind dessen Män nern zum Opfer gefallen. Arisakas Soldaten waren in der Übermacht, etwa fünf oder sechs Gegner kamen auf einen Mann. Diejenigen, die überlebt haben, sind in alle Winde verstreut und müssen sich verstecken.«
»Und die anderen?«, fragte George. »Die Meishi, die Tokoradi und die Kitotashi? Sie schulden Ariska keine Loyalität.«
»Keiner dieser Klans kann allein gegen die Shimonseki stehen. Und jeder wartet ab, was die anderen tun. Bis jetzt sagen sie nur: Wenn das stimmt, was Marschall Arisaka behauptet, dann sind seine Handlungen vielleicht gerechtfertigt.«
George schnaubte abfällig. »Wenn und vielleicht«, wiederholte er. »Die Sprache der Verzögerung und Unsicherheit. So reden Leute, die nur ihre eigene Entscheidungsschwäche rechtfertigen wollen.«
»Arisaka hat alle Vorteile auf seiner Seite«, sagte Horace. »Als Soldat kannte er den Wert schnellen und entschlosse nen Handelns. Wenn sie von Anfang an widerstanden hätten, dann wäre Arisaka vielleicht nicht so einfach davongekommen. Doch jetzt hat er die Kontrolle über den Palast, und es ist zu spät, um ihm Einhalt zu gebieten.« Er wandte sich an Shigeru. »Die Frage ist, Eure Majestät, was Ihr dagegen unternehmen wollt?«
Shigeru blickte den Boten nachdenklich an. »Wo ist Arisaka jetzt?«
»Von der Hauptstadt aus unterwegs nach Norden, Eure Exzellenz. Er hat vor, Euch gefangen zu nehmen.«
»Wie weit bist du ihnen voraus, Reito-san?«, fragte Shukin.
Der Bote zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich einige Tage. Arisaka hat sich nicht sofort auf den Weg gemacht. Aber es gibt einige Überlebende aus der kaiserlichen Armee, die nicht weit hinter mir sind. Sie könnten in wenigen Stunden hier sein.«
»Wie viele sind es denn?«, fragte Horace sofort. Ganz unbewusst begann er bereits über die Möglichkeit eines schnellen Gegenangriffs nachzudenken, doch Reitos nächste Worte erstickten diese Idee im Keim.
»Nur vierzig oder fünfzig Mann«, antwortete er. »Und Arisaka hat mindestens dreihundert Mann bei sich.«
Horace nickte und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Shigerus Armee war nicht sehr groß gewesen. Er regierte mit gegenseitigem Einvernehmen, nicht mit Zwang.
»Umso mehr Grund für uns, hier ein paar Stunden Pause zu machen«, entschied Shigeru. »Arisaka wird erst in einigen Tagen hier sein. Wir sollten auf meine Soldaten warten und uns mit ihnen vereinen. Unterdessen können wir über unsere nächsten Schritte nachdenken.«
Sie verließen den Pfad, um sich auf einer kleinen Wiese niederzulassen. Die Männer der Eskorte stellten zwei Zelte auf – eines für die Kommandogruppe und eines für die übrigen Männer. Sie würden nicht über Nacht bleiben, sodass sie lediglich einen vorübergehenden Schutz vor dem Wetter benötigten,
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