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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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bedrohen, oder ich…«
    Aber das ging Hitch Paley über die Hutschnur.
    Zu seiner Verteidigung will ich anführen, dass er Adam Mills kannte. Er wusste, was uns da draußen unter der unbarmherzigen Sonne erwartete. Er dachte nicht daran, Sue auszuliefern, und ich glaube, er wäre lieber gestorben, als sich zu ergeben.
    Er traf Ray in die rechte Schulter – aus dieser Nähe ein tödlicher Schuss.
    Mir ist, als hätte ich die Kugel durch Ray hindurchgehen hören; als sie den Stein traf, klang es wie ein Hammerschlag auf Granit. Ein ohrenbetäubendes Geräusch. Vielleicht war es auch nur der Widerhall des Schusses. Ringsherum stieg Staub auf. Ich war wie gelähmt, fassungslos.
    Draußen stotterten Schüsse, eine Kugel prallte singend von den Blocksteinen am Westfenster ab. Sue, die plötzlich mit Rays Körpergewicht zu kämpfen hatte, schob ihn keuchend beiseite. »O Ray«, flüsterte sie. »Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid!«
    Sie hatte Tränen in den Augen. Die zerrissene gelbe Bluse war blutig, die Wand dahinter war es auch.
    Ray atmete nicht. Die Wunde oder der Schock hatten sein Herz angehalten. Auf seinen Lippen bildete sich eine blutrote Blase und blieb dort stehen.
    Er war hoffnungslos in sie verliebt gewesen, hoffnungslos und selbstlos, viele Jahre hindurch. Doch als sie ihren Fuß einmal über seine bewegungslosen Beine hinweggesetzt hatte, blickte sie nicht mehr zurück.
    Sie ging auf die Tür zu – schwankte, blieb aber auf den Füßen.
    Es stank nach Blut und Schießpulver. Draußen schrie Adam Mills etwas, doch das Klingen in meinen Ohren ertränkte die Worte.
    Der Kuin von Wyoming besah sich das alles aus der Ferne. Ich konnte ihn im Fenster hinter Hitch sehen, blau in blau stand er da, schläfrig in der wachsenden Hitze.
    »Stopp«, blaffte Hitch.
    Sie schauderte beim Klang seiner Stimme, tat aber noch einen Schritt.
    »Ich warne Sie nicht noch einmal. Sie wissen, dass ich schieße.«
    Und ich hörte mich sagen: »Nein, Hitch, lass sie gehen.«
     
    Unser Geheimnis, hatte Sue gesagt.
    Und: Es ist keins mehr, wenn du es mir verrätst.
    Warum nur hatte sie mich eingeweiht?
    Jetzt glaubte ich es zu wissen.
    Die Erkenntnis war bitter und schrecklich.
     
    Sue machte noch einen Schritt auf die Tür zu.
    Draußen im Sonnenschein schoss eine Schwalbe aus dem trockenen Gras hoch und schnitt durch die Luft wie eine Klaviernote.
    »Halt dich da raus«, riet mir Hitch.
    Doch ich war mit Handfeuerwaffen vertrauter, als ich es noch in Portillo gewesen war.
    Als Hitch in die Mündung meiner Pistole blickte, sagte er: »Du bist doch total durchgeknallt.«
    »Sie muss da rausgehen.«
    Hitch zielte weiterhin auf Sue. Sue nickte und näherte sich der Tür, als brauche jeder Schritt ein immer größeres Quantum an Kraft und Mut. »Danke, Scotty«, flüsterte sie.
    »Ich schieße«, sagte Hitch, »wenn Sie nicht auf der Stelle stehen bleiben.«
    »Nein«, sagte ich, »wirst du nicht.«
    Er knurrte – genau wie ein in die Enge getriebenes Tier. »Scotty, du feiges Miststück, ich erschieße dich genauso, wenn es sein muss. Nimm deine Waffe runter! Und Sie, Miss Chopra, stehen bleiben, habe ich gesagt, auf der Stelle!«
    Sie krümmte die Schultern, wie um sich kleiner zu machen, war bereits im Türrahmen. Sie tat noch einen Schritt.
    Einen Moment lang schwankte die Mündung von Hitchs Waffe zwischen Sue und mir. Dann mit einem Mal zielte er fest entschlossen auf ihren Rücken, die Halswirbelsäule, ihren großen, vorgebeugten Kopf.
    Er begann – und ich weiß, wie absurd die Behauptung klingt, es wirklich gesehen zu haben, doch in der überspannten Stille dieses Augenblicks, im Schatten dieses strahlenden, arglosen Nachmittags, wir alle im labilen Gleichgewicht über dem Drehpunkt der Zeit: Ich schwöre, ich sah, wie er seinen fleischigen, dunklen Finger um den Abzug zu krümmen begann.
    Doch ich war schneller.
    Der Rückstoß warf mir die Hand zurück.
     
    Habe ich Hitch Paley getötet?
    Ich bin kein unbefangener Zeuge. Ich sage zu meiner eigenen Entlastung aus. Doch ich will jetzt, am Ende meines Lebens, alles sagen, was ich weiß. Ich muss nun nichts mehr für mich behalten.
    Die Pistole schlug zurück. Die Kugel war also unterwegs, doch dann…
    Doch dann schien plötzlich alles unterwegs zu sein.
    Blockstein, Mörtel, Holz, Blech, der Staub von Generationen. Ich, ein Projektil. Hitch und der Körper von Ray Mosely. Ray, der Sue viel zu sehr geliebt hatte, als dass er sie hätte tun lassen, was sie tun musste;

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