Die Chronolithen
auf ihre geschwollenen Lippen.
Warum das Scheußliche noch mit Selbstbezichtigungen überhöhen?
Wir hatten es überstanden. Wir waren zusammen. Das war genug.
Was ich nicht gewusst hatte, aber schließlich von Ashlee erfuhr: Morris Torrance hatte seinen Posten unten auf der Straße nicht verlassen.
Adam Mills hatte ihn als Leibwächter identifiziert und seine Leute über einen Hintereingang ins Haus gebracht. Kurz bevor Adam bei Ashlee aufgetaucht war, hatte Morris sie angerufen, um sicherzugehen, dass sie in ihrer Wohnung war. Seitdem hatte er nichts Verdächtiges bemerkt. Nach Mitternacht hatte er sich abgesetzt und war zum Marriott zurückgefahren, um ein paar Stunden zu schlafen. Er trug einen elektronischen Signalgeber für den Fall, dass Ashlee in der Zwischenzeit Hilfe benötigte. Es hatte keinen Alarm gegeben. Am Morgen hatte er Ash wieder angerufen, hatte aber keine Antwort bekommen. Er war sofort zu ihrer Wohnung gefahren, nicht lange nachdem Kaitlin dort angekommen war, und hatte noch einmal vergeblich bei Ashlee angerufen. Zutiefst beunruhigt hatte Morris bei ihr geklingelt.
Sie hatte verspätet reagiert und sich in der Sprechanlage sehr undeutlich angehört. Morris gab vor, er sei von der Zustellung, habe ein Paket für sie und brauche ihre Unterschrift.
Ash, die seine Stimme erkannt haben musste, erklärte, sie könne jetzt nicht aufmachen. Ob er nicht noch einmal wiederkommen könne.
Er erwiderte, er könne zwar wiederkommen, aber das Paket trage einen Aufkleber mit »verderblich«.
Das sei egal, hatte Ashlee gesagt.
Dann hatte Morris den Kamerabereich verlassen, die Polizei angerufen und Gefahr im Verzug gemeldet. Er hatte sich mit dem Hausschlüssel, den ich ihm gegeben hatte, Zutritt verschafft, sich beim Hausverwalter als FBI-Beamter ausgegeben und von diesem einen Zweitschlüssel für Ashlees Apartment verlangt.
Er wusste, wie lange es dauern konnte, bis die Polizei vor Ort war, und entschloss sich, nicht zu warten. Er fuhr mit dem Aufzug in unsere Etage, rief noch einmal bei Ash an, um mit dem Läuten des Telefons das Drehen des Schlüssels im Schloss zu kaschieren, und betrat unser Apartment mit gezogener Waffe. Er war, wie er mir so oft erklärt hatte, ein pensionierter FBI-Beamter ohne Fronterfahrung. Aber er war geschult und er hatte nichts verlernt.
Kaitlin saß zu diesem Zeitpunkt eingesperrt im Schlafzimmerschrank und Ashlee lag ausgestreckt auf dem Sofa, wo man sie nach den Misshandlungen hatte liegenlassen.
Ohne zu zögern erschoss Morris den Mann, der über Ash stand, dann richtete er die Waffe auf den zweiten Kuinisten, der eben aus der Küche kam.
Dieser hatte bei dem Schuss auf seinen Komplizen die Bierflasche fallen lassen und seine Waffe gezogen. Er streckte Morris mit einem einzigen Schuss nieder, doch Morris konnte, schon am Boden, noch zurückschießen. Der Wohnzimmertisch bot ihm ein wenig Deckung. Er schoss zweimal und traf den Gegner in Kopf und Hals.
Morris war am Bein verletzt – das Projektil hatte eine Schneise in den Oberschenkel gepflügt, ähnlich wie die Kugel, die Sue Chopra in Jerusalem getroffen hatte –, konnte aber, bevor er die Besinnung verlor, Ashlee noch beruhigen und Kaitlin aus dem Schrank befreien.
Kait – geschlagen und vergewaltigt, aber immer noch beherzt – legte Morris noch vor Eintreffen der Polizei einen provisorischen Druckverband an. Ashlee raffte sich vom Sofa auf und torkelte ins Bad.
Sie tränkte ein Tuch mit Wasser und versuchte erst Morris, dann Kaitlin und zuletzt sich selbst das Blut aus dem Gesicht zu tupfen.
»Das war leichtsinnig«, sagte Morris, als ich ihn im Krankenhaus besuchte.
»Es war das einzig Richtige.«
Er zuckte die Achseln. »Na ja, ich denke schon.« Er saß im Rollstuhl, das in Gel und Gips gelegte Bein auf einer freitragenden Schiene. »Da vorne fehlt das rote Tuch«, scherzte er.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
»Werden Sie nicht sentimental, Scotty«, sagte er, wobei seine Augen verdächtig glitzerten. »Wie geht es Ihrer Frau?«
»Sie ist auf dem Weg der Besserung.«
»Und Kaitlin?«
»Schwer zu sagen. Man bringt David nach Hause.«
Er nickte. Wir saßen eine Zeit lang da und schwiegen.
Dann sagte er: »Ich habe es in den Nachrichten gesehen. Das mit dem Wyoming-Chronolithen. Hat ein bisschen gedauert, aber Sue hat erreicht, was sie wollte, oder?«
»Sie hat erreicht, was sie wollte.«
»Schande über Hitch und Ray.«
Ich gab ihm Recht.
»Und Sue.« Er sah mich
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