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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sagte Sue beinah verlegen, erschüttert von der Verwegenheit ihrer Worte und kein bisschen erschrocken: »Dieser Pfeil zeigt auf mich.«
     
    Das war nichts anderes als Wahnsinn.
    Das war Megalomanie, Selbstverherrlichung und Selbstverleugnung zugleich. Sue hatte sich zum Rang eines Shiva erhöht. Schöpferin, Zerstörerin.
    Doch ein Teil von mir wollte, dass sie Recht hatte.
    Ich glaube, ich wollte, dass dieses endlose und zerrüttende Drama der Chronolithen ein Ende fand – nicht nur meinetwegen, nein, auch wegen Ashlee und Kaitlin.
    Und ich wollte Sue vertrauen. Nach einem Leben voller Zweifel musste ich ihr einfach vertrauen.
    Ich staune ja selbst, aber ich wollte ihren Wahnsinn geläutert, verherrlicht wissen.
     
    Hitch werkelte immer noch am Motor herum, als die zwölf Motorräder in einer grauen Staubwolke die Zufahrtsstraße heraufkamen. Sie kamen aus der Richtung des Chronolithen.
    Sue und ich hasteten sofort in den Schuppen zurück. Inzwischen war Hitch von Ray gewarnt worden.
    Hitch war schon unter dem Motorblock heraus und lud unsere vier Schusswaffen.
    So dankbar ich die Waffe entgegennahm, so unangenehm fühlte sie sich an – kalt und entfernt fettig. Ich hatte mehr Angst vor der Pistole als vor den sich nähernden Fremden, bei denen es sich wahrscheinlich (aber nicht unbedingt) um Kuinisten handelte. Eine Waffe soll das Selbstvertrauen stärken, doch in meinem Fall betonte sie lediglich, wie verwundbar, wie hoffnungslos ausgeliefert wir waren.
    Ray Mosely steckte sein Schießeisen in den Gürtel und fing an, wie wild auf seinem Handy herumzutasten. Dabei hatten wir seit Tagen keine Verbindung mehr bekommen und daran änderte sich auch jetzt nichts. Der Versuch kam mir wie ein Reflex vor. Ray konnte einem Leid tun.
    Hitch hielt Sue die Waffe hin, doch sie legte die Hände an die Oberschenkel. »Nein, danke«, sagte sie.
    »Machen Sie keine Dummheiten.«
    Das Grummeln der Motoren wurde lauter, ein Geräusch wie von Heuschrecken, wenn sie in Schwärmen kommen.
    »Behalten Sie die Waffe«, sagte sie. »Ich wüsste nichts damit anzufangen. Ich würde bestimmt den Falschen erschießen.«
    Bei diesen Worten trafen sich unsere Blicke, und ich fühlte mich unerklärlicherweise an die junge Frau in Jerusalem erinnert, die sich kurz vor ihrem Tod bei Sue bedankt hatte. Ihre Augen, ihre Stimme hatten die gleiche rätselhafte Eindringlichkeit vermittelt.
    »Wir haben keine Zeit zum Diskutieren.«
    Hitch hatte das Heft in der Hand. Er war hellwach und konzentriert, runzelte die Stirn wie ein Schachspieler, der sich auf einen respektablen Gegner einstellt.
    Der Blocksteinschuppen hatte eine Tür und drei schmale Fenster, war gut zu verteidigen, aber auch eine Mausefalle, falls wir unterlagen. Doch der Van wäre keinen Deut sicherer gewesen.
    »Vielleicht ahnen sie noch nichts von uns«, gab Ray zu bedenken. »Vielleicht donnern sie ja vorbei.«
    »Vielleicht«, sagte Hitch, »aber darauf ist kein Verlass.«
    Ray legte die Hand auf den Pistolenknauf. Er blickte zur Tür, zu Hitch, zur Tür… als versuche er eine komplizierte mathematische Aufgabe zu lösen.
    »Scotty«, sagte Sue. »Ich verlass mich auf dich.«
    Hätte ich wissen müssen, wie sie das meinte?
    »Sie fahren langsamer«, sagte Hitch.
    »Vielleicht sind es keine Kuinisten«, sagte Ray.
    »Vielleicht Nonnen, die einen Ausflug machen. Aber wie gesagt.«
     
    Ihr Nachteil war, dass sie keine Deckung hatten.
    Das Land war flach, überall Salbei. Die Biker mussten sich ihrer Verwundbarkeit bewusst sein, denn sie machten im Leerlauf Halt – ein gutes Stück noch vom Schuppen entfernt, in Schussweite zwar, aber nur für Scharfschützen mit Zielfernrohr.
    Während ich durch den Spalt lugte, den man als Westfenster bezeichnen durfte, stieß mir die Ungereimtheit all dessen auf. Der Tag war schön und kühl, der Himmel kristallklar. Und selbst der (vielleicht instabile) Chronolith am Horizont wirkte solide, in sich ruhend. Das unbefangene Konzert der Sperlinge und Grillen hing in der Luft und dennoch gab es da ein Dutzend bewaffneter Biker, die breitbeinig die Straße blockierten – und weit und breit keine Hilfe.
    Einer der Biker nahm den Helm ab, schüttelte die schmutzig blonde Mähne aus und kam fast gemächlich die unbefestigte Straße herauf.
    Und:
    »Hol mich der Teufel«, sagte Hitch, »wenn das nicht Adam Mills ist.«
    Wir seien tief in der Tau-Turbulenz, hätte Sue wohl gesagt; da, wo der Zeitpfeil kreiselt und kreiselt; da, wo es keinen Zufall

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