Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
Linie zu allen Seiten, als sei es ein lebendes Objekt, das aus unsichtbaren Klauen zu entrinnen versuchte.
So sieht also Essenz aus, wenn sie sichtbar wird! Sehr interessant , dachte Valerian.
Er hatte Linda von der magischen Farbe „Color“ berichten hören, doch sie live zu sehen, war wesentlich spektakulärer. Fasziniert beobachtete er das Gebilde. Es erhellte auf schaurige Art die Gesichter der Anwesenden. Seine Freunde hatten die Augen immer noch geschlossen und wirkten angespannt. Wie schon bei den anderen Ritualen ging an Valerian erneut das eigentliche Geschehen vorbei, welches sich im Innern der Begabten abspielte. Doch diesmal bot seine Umgebung ein interessantes Schauspiel. Valerian konnte die Anstrengung in den Mienen der Magier lesen. Offenbar war der Sog an ihren Essenzvorräten überwältigend stark. Er selbst spürte nur das gewohnt sanfte Kribbeln in seinem Körper.
Der Primus hielt einen etwa eineinhalb Meter langen Stab vor sich, auf dessen Spitze ein großer Rubin prangte. Dieser schien aus seinem Inneren heraus rot zu pulsieren.
Cendrick hatte dem Unsterblichen erklärt, dass Samantha Bachmann Dormesis Rechte Hand war. Bei der Art und Weise, wie ihr erstes Aufeinandertreffen verlaufen war, hätte der Student schwören können, dass sie bei dem Ritual ebenfalls wie ein Schatten hinter ihrem Chef stehen würde, doch das tat sie nicht. Valerian musste den Kopf verrenken, ehe er sie auf der anderen Seite außerhalb des Ritualkreises entdeckte. Sie gab einem Hetaeria Magi Anweisungen, der daraufhin mit großen Schritten zu einer Magierin eilte und ihr die Hand auf die Schulter legte. Wie auf Kommando erhob sie sich und er nahm ihren Platz ein, ohne dass es sonst jemand bemerkte.
Der Student legte die Stirn in Falten. Was ging hier vor sich? Samantha sprach bereits mit ihrem nächsten Kollegen.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass einige der Magier aschfahl aussahen. Die Wangen eingefallen, als habe man sie viele Wochen hungern lassen. Einige hatten Mühe, sich aufrecht zu halten, rezitierten jedoch verbissen weiter ihre Formel.
Der nächste Wechsel fand statt und eine andere Maga gesellte sich zu Samantha Bachmann. Kam es Valerian nur so vor oder beschleunigte sich das Tempo, in dem die Magier ausgetauscht wurden? Diejenigen, die sich aus dem Ritus zurückzogen, brachen schwer atmend und erschöpft zusammen.
Erst jetzt wurde Valerian der volle Umfang von dem bewusst, was er da sah: Der Reigen der Geister war keine Gruppe von verklärten Hexen gewesen, die sich bei einem Ritual dumm angestellt hatten. Ihr anmutiger Tanz täuschte eine nicht existierende Leichtigkeit vor. Tatsächlich hatten sie immer und immer wieder einer monumentalen Aufgabe ohne zu hadern ins Auge geblickt, die nach und nach mehr von ihnen forderte. Zyklus um Zyklus. Bis sie das Letzte gegeben hatten, das sie besaßen.
Die Kehle des Unsterblichen wurde eng. Da, schon wieder ein Wechsel! Und hier, noch einer! Das waren nun bereits fünf. Sieben Magier befanden sich im Ritualkreis. Wie viele waren es zu Beginn gewesen? Fünfzehn? Zwanzig? Valerian hatte nicht gezählt. Es war ihm nicht wichtig gewesen. Jetzt allerdings war es mehr als entscheidend, denn früher oder später ging ihnen der Ersatz aus. Was dann? Die Konturen einiger Geister flackerten bereits. Schwand auch ihre Kraft?
Sein Puls beschleunigte sich und er blickte nervös zu seinen Freunden. Deren Antlitz verriet nur wenig. Alles in allem sahen sie normal aus und das beruhigte Valerian für den Moment. Nur auf Tamaras Wangen sah er es feucht schimmern.
Seltsam. Was war nur heute mit der Hexe los?
Linda wirkte ungewöhnlich ernst. War das Ritual für sie anstrengend? Er wünschte sich, sie würde die Augen öffnen und ihm aufmunternd zulächeln. Und mit einem Mal war es ihm furchtbar wichtig, dass es ihr gut ging. Ihnen allen! Er hatte noch nie besonders an seiner Familie gehangen, aber von diesen Menschen wollte er nicht lassen. Seine Freunde waren zu einer neuen Familie für ihn geworden.
Valerian nahm sich vor, sich beim ersten Anzeichen dafür, dass die Magier keine „Austauschkandidaten“ mehr besaßen und das Ritual zum Teufel ging, Linda zu schnappen und seine Freunde von der Lichtung zu treiben. Er würde ganz sicher nicht warten, bis der erste Dämon seinen Kopf durch die Tür steckte. Der Student hatte die Worte des blonden Schönlings noch im Ohr, wozu diese Viecher aus der anderen Dimension fähig waren. Was hatte er noch mal gesagt? Es wären hundert
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