Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
Mann strotzte nur so vor Lebenskraft. Oberarme und Brustkorb glichen denen eines Gewichthebers. Er trug eine schwarze Hose und ein dunkelgraues Hemd. Erst auf den zweiten Blick entdeckte Valerian den weißen Kragen am Hals des Mannes. Das waren also die letzten beiden Dozenten für heute.
Als die Gruppe Studierender bei dem Paar angelangt war, begann die Frau zu sprechen: „Willkommen im ersten Semester! Ursprünglich sollte sich der Kurs im Gewächshaus treffen, doch bei der Hitze ist es unter dem Glasdach kaum auszuhalten. Ich schlage vor, wir gehen ein paar Schritte in den Park hinein und setzen uns alle in den Schatten der Bäume. Seid ihr einverstanden?“
Um Valerian herum lächelten und nickten die Kommilitonen wie Mondkälber.
Oh Mann! Werdet erwachsen , dachte er.
Sie wurden um die „Glasvilla“ herum- und tiefer in den Park hineingeführt. Ganz in der Nähe begann eine Baumgruppe, die sich weiter hinten zu einem kleinen Waldstück ausbreitete.
Der Park ist wirklich riesig.
Valerian setzte Linda über seine Entdeckung in Kenntnis und sie begann zu strahlen. „Da müssen wir unbedingt bald hin!“, tuschelte sie in seine Richtung.
Die Gruppe ließ sich im Gras auf einer kleinen Lichtung nieder und die zwei Lehrenden blieben vor ihr stehen.
„Also hier ist es wirklich viel angenehmer!“, bemerkte die Dozentin und blickte lächelnd in die Runde.
„Allerdings“, bestätigte der Hüne neben ihr.
Obwohl sich seine Mundwinkel nur leicht hoben, hatte er eine starke positive Ausstrahlung. Valerian fragte sich, woher das kam.
Gold, überall Gold!
Linda musterte hingerissen den vor ihr stehenden Mann. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Er verfügte fast ausschließlich über die reinsten Farben in seiner Aura. Gold, Weiß und Color, die Farbe der Magie. Sie hatte ein so prächtiges Farbenspiel noch nie zu Gesicht bekommen. Er musste ein wahrhaft gütiger und spirituell hoch entwickelter Mensch sein. Es war berauschend, ihn anzusehen. Sie fühlte sich schwerelos und wäre am liebsten ewig so dahingeglitten. Sie war so – ergriffen! Diese Aura würde sie immer und überall wiedererkennen. Sie war einzigartig.
Linda nahm eine leichte Bewegung wahr. Hatte er ihr zugenickt?
Sie lächelte verlegen und drehte schnell den Kopf weg.
Wie peinlich, er hat mich erwischt, als ich ihn angestarrt habe! Na ja, Mutter Theresa haben sicher auch viele Leute zeit ihres Lebens angestarrt …
Bei diesem Vergleich musste sie innerlich lachen.
Währenddessen hatte sich die Dozentin vorgestellt. Felicitas Frey gehörte dem Sapientia Oracularum an und würde sie in Kräuterkunde sowie Meditation unterrichten. „Pater Ignatius und ich dachten, dass es bestimmt allen recht ist, wenn wir unsere Vorstellungsrunden gemeinsam machen. So brauchen Sie sich nicht zwei Mal vorzustellen und sind heute Abend schneller fertig. Auf diese Weise bleibt Ihnen auch noch etwas Zeit, um vor dem Abendessen den Park zu erkunden.“
Ihre Worte wurden mit zustimmendem Klatschen aufgenommen.
Die Umgebung war wirklich herrlich. Linda hörte die Vögel in den Ästen ihr Liedchen trällern. Sie spürte einen sanften Luftzug auf ihrem Gesicht und genoss das friedliche Rascheln der Blätter. Zudem hatte sie eine tolle „Aussicht“. Das Gold in Pater Ignatius’ Aura war Balsam für ihre Seele.
Und er verfehlte auch bei den anderen Studierenden seine Wirkung nicht. Schon als sich der Kurs den Dozenten genähert hatte, begannen sich die Auren ihrer Kommilitonen zu wandeln. Das aggressive Rot, das in Prof. Lichtenfels’ Unterricht aufgetaucht war, zog sich zurück. An dessen Stelle trat ein friedliches Grün. Jene, die nahe bei Pater Ignatius saßen, bekamen sogar ein entspanntes und meditatives Blau. Dieser Mann löste etwas in seinen Mitmenschen aus. Ein Wunsch nach „mehr“, im spirituellen Sinne.
Faszinierend!
Lange hing Linda diesem Gedanken nach, bis ihr auffiel, dass sie den Pater schon wieder angestarrt hatte. Sie schien allerdings nicht die Einzige zu sein. Um sie herum mischte sich hier und da ein schwärmerisches Rosa um die Konturen mancher Studentinnen. Sie konnte ein breites Schmunzeln nicht unterdrücken und wandte sich wieder der Dozentin zu. Offenbar war das von ihr vorgeschlagene „Du“ als Ansprache für die Studenten akzeptiert worden.
„Die Meditation dient dazu, euren Geist zum Schweigen zu bringen und eure Aufmerksamkeit zu fokussieren. Erst wenn eure Vorstellung von dem, was ihr erreichen wollt, klar ist, kann
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