Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Miralbra Vii fraß sich an den vierhakigen Draggen im Sand fest und schien anschließend an drei Ketten vor verhaltener Spannung zu zittern, denn noch boten die Segel dem Wind eine nicht unbeträchtliche Angriffsfläche.
Die Tageszeit war uneindeutig. Schlieren des weißen Sandstaubes erfüllten den Himmel und degradierten die Sonne zu einem fahlen, vernachlässigbaren Kreis. Die Wüste ringsum war niemals eben, sondern immer in Wellen begriffen wie ein schockgefrorenes Meer. Es war früh im Jahr, was bedeutete, dass es tagsüber schon drückend heiß werden konnte, aber es war spät am Tag, also bildeten die Dünen weite Schatten aus, in denen sich alles Mögliche verborgen halten konnte.
Die Miralbra Vii war der zweitälteste noch aktive Zweimaster der Landflotte von Aztrivavez und wie die anderen auch mit einer zehnköpfigen Besatzung bemannt. Renech war der Kapitän, ein älterer, erfahrener Klotz von einem Mann, der schon so manchen Beutezug in die Wüste mitgemacht und schon so manchen Überfall der Bescheidenen abzuwehren geholfen hatte. Aus Renechs imposantem, rotgefärbtem Backenbart rieselte fortwährend Sand, seine Kapitänswürde betonte er durch einen silberbeschlagenen Dreispitzhut und gewaltige, silbern irisierende Fransenepauletten auf den Schultern seiner regenbogenfarbenen Uniformjacke.
Als Koaron noch ein Kind gewesen war – und allzu lange war das noch nicht her –, hatte er sich gewundert über die Buntheit der Kleidung von Wüstensammlern. »Fallen die denn dann nicht viel zu sehr auf in der weißen Wüste?«, hatte er seine Mutter gefragt, sobald er ein Alter erreicht hatte, in dem man begann, sich über Gebräuche und ihre Zusammenhänge Gedanken zu machen. Seine Mutter hatte ihm nur antworten können, dass diese Buntheit eben eindrucksvoll aussah, weshalb es ja auch den Begriff Farbenpracht gab. Inzwischen jedoch hatte Koaron begriffen, dass Wüstensammler sich bunt kleideten, um in der alles umgebenden Monotonie nicht trüb- oder sogar wahnsinnig zu werden. Es gab in der Tradition der Sammler etliche verbriefte Fälle von Weiß-Koller und Helligkeitsfurcht; andererseits hatte noch niemand jemals beweisen können, dass Dämonen auf Farben reagierten. Dämonen reagierten auf Gerüche oder Geräusche, manchmal auch auf Bewegungen. Es spielte also keine Rolle, ob ein Sammler sich bunt kleidete oder in weiße Tarnfarben hüllte. Letzteres war höchstens sinnvoll im Kampf gegen die Bescheidenen , die ebenfalls der Wüste sehr ähnlich waren: winterlich hell. Dämonensammler des Landes jedoch sahen am liebsten aus wie die Paletten von exzentrischen Gemäldemeistern.
Koaron hatte sich dieser Tradition angepasst. In den Sanddocks hatte er immer eher grau in grau oder sandgelb in braun getragen. Jetzt war das anders. Seine Staubmütze, die sein langes dunkelblondes Haar gegen den Flugsand abschirmte, war knallrot. Seine Jacke gelb, die Hosen hellgrün, die unverschnürten, wuchtigen Halbstiefel violett, die Handschuhe hellblau und der Schutzschal wiederum ebenso violett wie die Schuhe. Dieser Schutzschal war unverzichtbar, wenn man nicht andauernd Sandkörner zwischen den Zähnen haben wollte. Gleichzeitig war er ein verhältnismäßig gefährliches Kleidungsstück. Jeder Sammler kannte die Geschichte von dem Sandmatrosen, der beim Über-die-Reling-Flanken mit seinem Schal an einem Belegnagel hängen geblieben war und sich erbärmlich stranguliert hatte. Die Enden des Schals mussten immer innerhalb des Jackenkragens stecken, so wie auch – damit kein schmerzhaftes Geriesel hineingelangte – die Stulpen der Handschuhe immer innerhalb der Jackenärmel.
Die beiden weiblichen Steuerleute Jitenji und Tibe, die dem Kapitän bei all seinen Entscheidungen zur Seite standen, trugen anstatt der Jacken knielange, grüne Sandmäntel aus knisterndem Material sowie hellblaue Stiefel. Dann gab es noch Zemu, den kochenden Wundarzt oder verarztenden Smutje mit seiner orangefarbenen Fischlederhose und dem blutroten, ärmellosen Hemd, aus dem ihm überall an Rücken, Armen, Brust und Achselhöhlen seine überreichliche krause Körperbehaarung hervorwucherte. Das Schiffsmädchen Voy hatte einen rosafarbenen, kurzen Faltenrock an, türkisfarbene Kniestrümpfe, eine Bluse aus schwarzem, sandabweisendem Fischledergewebe und eine Art Schutzhelm von blassgelber Farbe. Und die Sammler, die – wenn es, wie meistens unterwegs, gerade nichts zu sammeln gab – all die vielfältigen Aufgaben einer Schiffsbesatzung zu
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