Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Mahlstrom gebannt hatte, um ihr Überdauern zu sichern, war Adain diese drei Tiere gewesen. Also nahm er diese drei Ausformungen nacheinander wieder auf. Sie waren ihm vertraut. Sie trugen sich wie eine maßgefertigte Bekleidung. So kroch er als grünlicher Wurm umher, flatterte als grün schillernder Vogel durch die verlassene Katakombe und schnürte als Smaragdkatze um Stalagmiten herum. Er genoss diese Spiele, doch in den visionären Kreidezeichnungen Orisons sah er noch so viel mehr.
Er nahm wieder seine menschenähnlichere Form an und experimentierte damit herum. Eine Zeit lang machte er seine rechte Seite kürzer als die linke. Das war ungewöhnlich faszinierend. Der Unterschied zu vorher ließ ihn oftmals straucheln und sogar stürzen, aber er rappelte sich immer wieder auf mit einem belustigten Ausdruck im Gesicht.
Zeit verflüchtigte sich.
Adain formte sich um, ordnete die Moleküle, aus denen sein Leib bestand, zu neuen Zusammensetzungen an und probierte Neuartiges aus.
Oben in den Städten regte sich das Leben, und die Bewohner dieser Städte – Adain war sich immer noch nicht im Klaren darüber, ob es sich um Menschen oder um Dämonen handelte – begannen, Fahrzeuge zu entwickeln, mit denen sie die Wüste erkunden konnten. Es klang, als würden sie Schiffe umwuchten und wüstentauglich machen, denn er konnte das Flügelschlagen von Segeltuch zwischen Dünen hören. Das ganze Land war nun eine Wüste, eine junge und unerforschliche Wüste, und in dieser Wüste rührte sich etwas Neues, etwas, das auch Adain noch nicht kannte. Wesen, die groß waren, sehr groß sogar. Wesen, die es früher nicht gegeben hatte. Die das Ende mit seinem Strahlen, seinem Staub und seinem Licht überhaupt erst hervorgebracht hatte.
Adain spürte, wie sehr, sehr langsam die Neugier in ihm anwuchs.
Neugier auf die Wüste. Neugier auf die Städte und ihre fremden Bewohner.
Einmal fragte er nach oben in den Schlundtrichter: »Orison?«
Und dann noch einmal: »Orison?«
Aber er erhielt keine Antwort. Er wusste nicht, was dort oben vor sich ging, ob das Fremde, das sich bildete, auch nur das Geringste mit dem König der Dämonen zu tun hatte. Ob Orison tatsächlich wieder auferstanden war, wie es in der Prophezeiung der Streichungen hieß.
Adain erhielt keine Antworten auf seine Fragen. Und dennoch wartete er immer noch ab.
Er war ein geduldiger Dämon.
Zeit verstrich.
Jahre zogen ins Land.
Viele Jahre.
Adain formte sich weiter.
Und dachte nach.
Die Skizzen an den Wänden zeigten die Körper der Dämonen. Aber weshalb waren alle diese Körper hässlich? Weshalb waren sie dämonisch ? Waren die Dämonen denn nicht früher, bevor Orison sie in die Verbannung zwang, wunderschöne Fabelwesen gewesen? Nicht nur Würmer und Vögel und Katzen, sondern auch feuerspuckende Würmer mit Flügeln und Vögel, die in diesem Feuer baden und sich darin erneuern konnten, und Katzen mit Skorpionschwänzen oder Säbelzähnen? Warum hatte Orison den tumben Krieg angestrebt anstatt die Schönheit, die Bewunderung und das Verständnis? Und was war mit ihm, mit Adain selbst? Konnte er sich nicht aussuchen, was er sein wollte?
Er beschloss, sich einen schönen Körper zu machen.
Eines Tages hatte er eine Gestalt gefunden, die ihm ausgesprochen gut gefiel. Sie war eher ein Zufall, eine Spielerei mit mehreren denkbaren Möglichkeiten, aber genau deshalb, weil er fürchtete, diese Form nicht mehr willentlich wiederherstellen zu können, behielt er sie fürs Erste bei.
Er war jetzt sehr ebenmäßig. Seine beiden Arme waren gleich lang, seine beiden Beine ebenfalls. Sein Körper war groß und schlank und in den Hüften wohlgeformt und gerundet wie ein menschliches Musikinstrument. Sein Gesicht war sehr faszinierend, mit großen dunkelblauen Augen, ausgesprochen weiblich, weil er fand, dass Frauen schönere Gesichter hatten als Männer. Seine Haare waren sehr lang und von einem beinahe blonden Hellbraun, besaßen jedoch im Dunkeln einen leicht grünlichen Schimmer. Da er sich nicht hatte entscheiden können, ob er ein Mann oder eine Frau sein wollte, war er jetzt beides. Nur auf Brüste verzichtete er. Sie schienen ihm unzweckmäßig und stets im Weg zu sein. Stattdessen entschied er sich für sehnige, wohlmodellierte Muskeln.
Er betrachtete sich.
Und gefiel sich sehr.
Er sprach seinen Namen laut aus. »A-da-in.« Es konnte sowohl ein weiblicher als auch ein männlicher Name sein. Er war beides. Und indem er mehr war als ein gewöhnlicher
Weitere Kostenlose Bücher