Die Dämonen
Nikolajewna lag, wie man erzählte, an einem heftigen Nervenfieber krank; dasselbe wurde auch über Nikolai Wsewolodowitsch behauptet, mit widerwärtigen Einzelheiten über einen ihm angeblich ausgeschlagenen Zahn und über seine geschwollene Backe. In verschwiegenen Ecken sprach man sogar davon, es werde bei uns vielleicht ein Mord stattfinden; Stawrogin sei nicht der Mann, der eine solche Beleidigung hinnähme; er werde Schatow töten, aber insgeheim, wie bei der korsischen Blutrache. Dieser Gedanke gefiel vielen; aber die Mehrzahl unserer vornehmen jungen Männer hörte das alles mit Nichtachtung und mit einer Miene geringschätziger, natürlich erkünstelter, Gleichgültigkeit an. Überhaupt trat die alte Feindschaft unserer Gesellschaft gegen Nikolai Wsewolodowitsch wieder klar zu Tage. Sogar gesetzte Leute suchten ihm die Schuld zuzuschieben, obwohl sie nicht wußten, die Schuld woran. Flüsternd erzählte man sich, er habe Lisaweta Nikolajewna die Ehre geraubt und es habe zwischen ihnen in der Schweiz eine Intrige gespielt. Allerdings verhielten sich vorsichtige Leute dabei reserviert; aber doch hörten alle es mit Genuß an. Es gab auch noch andere Darstellungen, die aber nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur im Privatverkehr, nur spärlich und beinah im Verborgenen geäußert wurden, äußerst seltsame Darstellungen, deren Vorhandensein ich nur im Hinblick auf die weiteren Ereignisse meiner Erzählung erwähne, um die Leser vorzubereiten. Manche sagten nämlich mit finster zusammengezogenen Augenbrauen und Gott weiß auf welcher Grundlage, Nikolai Wsewolodowitsch habe ein besonderes Geschäft in unserm Gouvernement; er sei durch den Grafen K*** mit hochgestellten Männern in Petersburg in Beziehung gekommen; er sei vielleicht sogar angestellt und von irgend jemand mit irgendwelchen Aufträgen betraut. Und als sehr gesetzte, besonnene Leute über dieses Gerücht lächelten und verständig bemerkten, daß ein Mensch, der fortwährend Skandalgeschichten veranlasse und sich bei uns mit einer geschwollenen Backe eingeführt habe, einem Beamten nicht sehr ähnlich sei, da erwiderte man ihnen flüsternd, er sei ja auch nicht offiziell angestellt, sondern sozusagen konfidentiell, und in einem solchen Falle erfordere der Dienst gerade, daß der Angestellte mit einem Beamten möglichst wenig Ähnlichkeit habe. Dieses Argument verfehlte seine Wirkung nicht; man wußte bei uns, daß die Regierung in der Hauptstadt unseren Landständen eine besondere Aufmerksamkeit zuwende. Ich wiederhole, daß diese Gerüchte nur flüchtig auftauchten und nach kurzer Zeit, bei Nikolai Wsewolodowitschs erstem Wiedererscheinen, spurlos wieder verschwanden; aber ich bemerke, daß die Ursache vieler Gerüchte einige kurze, aber boshafte Äußerungen waren, die der unlängst aus Petersburg zurückgekehrte Gardehauptmann a.D. Artemi Petrowitsch Gaganow in undeutlicher, wortkarger Manier im Klub hatte fallen lassen. Es war dies ein sehr großer Gutsbesitzer unseres Gouvernements und Kreises, ein Angehöriger der vornehmen Gesellschaft der Residenz und ein Sohn des verstorbenen Peter Pawlowitsch Gaganow, eben jenes hochangesehenen Klubvorstehers, mit welchem Nikolai Wsewolodowitsch vor mehr als vier Jahren das durch seine Unmanierlichkeit und Plötzlichkeit überraschende Rencontre gehabt hatte, das ich bereits oben, am Anfange meiner Erzählung, erwähnt habe.
Allen wurde es sogleich bekannt, daß Julija Michailowna bei Warwara Petrowna einen extraordinären Besuch hatte machen wollen, an der Haustür aber benachrichtigt worden war, die gnädige Frau könne wegen Unwohlseins niemanden empfangen. Ebenso, daß Julija Michailowna zwei Tage nach ihrem Besuche sich durch einen besonderen Boten nach Warwara Petrownas Befinden hatte erkundigen lassen. Schließlich begann sie sogar, Warwara Petrowna überall zu »beschützen«, natürlich nur im höchsten Sinne, das heißt in möglichst unbestimmter Weise. Alle die anfänglichen eilfertigen Anspielungen auf die Affäre vom Sonntage hörte sie mit strenger, kalter Miene an, so daß sie an den folgenden Tagen in ihrer Gegenwart nicht mehr erneuert wurden. Auf diese Weise befestigte sich überall die Vorstellung, daß Julija Michailowna nicht nur mit dieser ganzen geheimnisvollen Affäre, sondern auch mit ihrem ganzen geheimnisvollen Zusammenhange bis in die kleinsten Einzelheiten bekannt sei und nicht die Stellung einer Fernstehenden, sondern einer Teilnehmerin einnehme. Ich bemerke bei dieser
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