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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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mitteilte. Nikolai Wsewolodowitschs Verbeugung erwiderte er gar nicht, sondern wandte sich ab. Die Sekundanten losten: das Los traf die von Kirillow mitgebrachten Pistolen. Die Barrieren wurden abgemessen, die Gegner aufgestellt, die Equipage und die Pferde mit den Dienern dreihundert Schritte zurückgeschickt. Die Waffen wurden geladen und den Gegnern eingehändigt.
    Es ist schade, daß ich meine Erzählung schnell weiterführen muß und keine Zeit zu eingehenderen Schilderungen habe; aber ganz ohne Bemerkungen geht es doch nicht an. Mawriki Nikolajewitsch war trübe und sorgenvoll. Dafür war Kirillow vollständig ruhig und gleichmütig, sehr sorgsam in der Erfüllung aller Einzelheiten der von ihm übernommenen Pflicht, aber ohne die geringste Hast und fast ohne Spannung auf den jetzt so nahegerückten, möglicherweise verhängnisvollen Ausgang der Sache. Nikolai Wsewolodowitsch war blasser als gewöhnlich; er war ziemlich leicht gekleidet und trug einen Überzieher und einen weißen Kastorhut. Er schien sehr müde zu sein, machte mitunter ein finsteres Gesicht und fand es nicht für nötig, seine schlechte Stimmung zu verbergen. Aber am auffälligsten von allen benahm sich in diesem Augenblicke Artemi Petrowitsch, so daß ich nicht umhin kann, über ihn ein paar besondere Worte zu sagen.
     
II.
     
    Wir haben bisher keine Gelegenheit gehabt, seines Äußeren Erwähnung zu tun. Er war ein hochgewachsener Mann, blaß, wohlgenährt oder, wie das niedere Volk sagt, wohlgemästet, mit hellblondem, dünnem Haar, ungefähr dreiunddreißig Jahre alt und, man kann vielleicht sogar sagen, mit hübschen Gesichtszügen. Er hatte den Dienst als Oberst quittiert und würde, wenn er bis zum General weitergedient hätte, in dieser Rangstellung eine noch imposantere Erscheinung gewesen sein und sehr möglicherweise im Kriege einen tüchtigen General abgegeben haben.
    Ich darf zur Charakteristik seiner Persönlichkeit nicht unerwähnt lassen, daß den Hauptgrund für seinen Austritt aus dem Militär ein Gedanke bildete, der ihn sehr lange und zu seiner großen Pein verfolgt hatte, der Gedanke an die Schande der Familie infolge der Beleidigung, welche Nikolai Stawrogin seinem Vater vor vier Jahren im Klub zugefügt hatte. Er hielt es in seinem Gewissen für unehrenhaft, weiterzudienen, und war innerlich davon überzeugt, daß er durch seine Person das Regiment und die Kameraden beflecke, obgleich keiner derselben von dem Vorfall etwas wußte. Allerdings hatte er auch früher schon einmal den Dienst quittieren wollen, schon in weit zurückliegender Zeit, lange vor der Beleidigung, und aus einem ganz anderen Grunde, hatte aber bisher immer noch geschwankt. Wie seltsam es auch klingen mag, aber diesen ursprünglichen Grund oder, richtiger gesagt, diese erste Anregung zum Austritt aus dem Dienste bildete das Manifest vom 19. Februar 1861 über die Befreiung der Bauern. Artemi Petrowitsch, einer der reichsten Gutsbesitzer unseres Gouvernements, der durch das Manifest gar nicht einmal so viel verlor und überdies fähig war, die Humanität der Maßregel und beinahe auch die wirtschaftlichen Vorteile der Reform zu würdigen, fühlte sich beim Erscheinen des Manifestes gewissermaßen persönlich beleidigt. Es war dies eine Art von unbewußtem Gefühl, das aber um so stärker war, je weniger er sich darüber Rechenschaft ablegen konnte. Bis zum Tode seines Vaters hatte er sich übrigens nicht zu einem entscheidenden Schritte entschließen können; er war aber in Petersburg durch seine »vornehme« Denkungsart mit vielen hervorragenden Persönlichkeiten bekannt geworden und pflegte die Verbindungen mit ihnen sehr eifrig. Er war ein in sich gekehrter, verschlossener Mensch. Noch ein Zug: er gehörte zu jenen sonderbaren, aber noch immer in Rußland vorkommenden Edelleuten, die auf das Alter und die Reinheit ihres Adels hohen Wert legen und sich dafür sehr ernstlich interessieren. Zugleich konnte er die russische Geschichte nicht leiden und hielt überhaupt das russische Wesen zu einem großen Teile für unwürdig. Schon in seiner Kindheit, in der besonderen, nur für die vornehmsten und reichsten Zöglinge bestimmten Kriegsschule, auf der er die Ehre hatte seinen Bildungsgang zu beginnen und zu vollenden, hatten sich bei ihm gewisse poetische Anschauungen herausgebildet: er fand Gefallen an Burgen, an dem mittelalterlichen Leben, an der ganzen opernhaften Seite desselben und am Ritterwesen; er weinte schon damals beinahe vor Scham darüber,

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