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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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heiligen Nikolaus, den ich für reines Silber gehalten hatte, habe ich als Zugabe gegeben; er sei unecht, sagten sie.«
    »Und den Wächter hast du ermordet?«
    »Das heißt, ich habe mit dem Wächter zusammen in der Kirche aufgeräumt, und dann nachher gegen Morgen sind wir bei dem Flüßchen in Streit geraten, wer den Sack tragen solle. Da habe ich mich versündigt und ihn von allem Erdenleide befreit.«
    »So ist's recht; morde nur immer, stiehl nur immer!«
    »Genau dasselbe, mit denselben Worten wie Sie, rät mir auch Peter Stepanowitsch, weil er, was eine Unterstützung anlangt, sehr geizig und hartherzig ist. Außerdem glaubt er nicht die Bohne an den himmlischen Schöpfer, der uns aus Erdenstaub erschaffen hat, sondern glaubt und sagt, das habe alles die Natur so eingerichtet, sogar bis zum geringsten Tiere herab. Überdies hat er auch kein Verständnis dafür, daß ich bei meinem Schicksal ohne wohltätige Unterstützung schlechterdings nicht existieren kann. Wenn man ihm das sagt, so sieht er einen an wie der Hammel das Wasser; man kann sich über ihn bloß wundern. Werden Sie es glauben: bei dem Hauptmann Lebjadkin, den Sie soeben besucht haben, als der noch in dem Filippowschen Hause wohnte, da stand bei ihm manchmal die Tür die ganze Nacht über sperrangelweit auf, und er selbst schlief sternhagelvoll betrunken, und das Geld war ihm aus allen Taschen auf die Dielen gefallen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen; denn daß ich bei der Wendung, die mein Schicksal genommen hat, ohne Unterstützung leben könnte, ist ganz unmöglich ...«
    »Was meinst du damit: mit eigenen Augen? Bist du in der Nacht hingegangen?«
    »Vielleicht bin ich auch hingegangen; nur weiß es niemand.«
    »Und warum hast du ihn nicht ermordet?«
    »Ich habe es mir auf dem Rechenbrett ausgerechnet und bin dadurch zu besonnenem Handeln gelangt. Denn obgleich ich bestimmt wußte, daß ich mir immer hundertfünfzig Rubel holen konnte, wie werde ich mich denn darauf einlassen, da ich doch ganze tausendfünfhundert bekommen kann, wenn ich nur ein bißchen warte? Denn der Hauptmann Lebjadkin (das habe ich mit meinen eigenen Ohren gehört) hoffte, wenn er betrunken war, immer stark auf Sie, und es gibt hier kein Restaurant, ja keine Schenke niedrigsten Ranges, wo er das nicht in solchem Zustande erklärt hätte. Da ich also dergleichen über Sie aus dem Munde vieler hörte, so habe auch ich auf Euer Erlaucht meine ganze Hoffnung gesetzt. Ich sehe Sie, gnädiger Herr, so an, als ob Sie mein leiblicher Vater oder mein leiblicher Bruder wären, und weder Peter Stepanowitsch noch sonst eine Menschenseele wird jemals etwas darüber von mir erfahren. Werden Sie mir also die drei Rubelchen schenken, Euer Erlaucht, oder nicht? Sie sollten mir einen endgültigen Bescheid geben, gnädiger Herr, damit ich die volle Wahrheit weiß; denn ohne Unterstützung kann unsereiner nicht existieren.«
    Nikolai Wsewolodowitsch lachte laut auf, zog sein Portemonnaie aus der Tasche, in welchem sich etwa fünfzig Rubel in kleinen Scheinen befanden, und warf ihm eine Banknote aus dem Päckchen hin, dann eine zweite, eine dritte, eine vierte. Fedka haschte sie im Fluge, sprang hin und her, die Banknoten fielen in den Schmutz, Fedka fischte sie heraus und rief dabei bedauernd: »Oh, oh!« Nikolai Wsewolodowitsch warf ihm schließlich das ganze Päckchen zu und ging, immer noch lachend, die Gasse nunmehr allein weiter. Der Landstreicher blieb zurück und suchte, auf den Knien im Schmutze herumrutschend, die im Winde auseinanderflatternden und in den Pfützen versinkenden Banknoten, und noch eine ganze Stunde lang konnte man in der Dunkelheit seine abgebrochenen Ausrufe: »Oh, oh!« hören.
     

Drittes Kapitel.
     
    Das Duell.
     
I.
    Am andern Tage um zwei Uhr nachmittags fand das in Aussicht genommene Duell statt. Zu der schnellen Abwicklung der Sache trug wesentlich Artemi Petrowitsch Gaganows unbezähmbares Verlangen bei, sich um jeden Preis zu schlagen. Er begriff das Benehmen seines Gegners nicht und war wütend. Schon einen ganzen Monat lang hatte er ihn ungestraft beleidigt und es immer noch nicht dahin bringen können, daß ihm die Geduld gerissen wäre. Es schien ihm unumgänglich notwendig, daß die Forderung von seiten Nikolai Wsewolodowitschs selbst erfolge, da er selbst keinen direkten Anlaß zu einer Forderung hatte. Er schämte sich, seinen geheimen Beweggrund zu bekennen, nämlich einen krankhaften Haß gegen Stawrogin wegen der Beleidigung, die

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