Die Dämonen
die frühere Höflichkeit vergessen; nachdem er den Schuß in das Gehölz abgegeben hatte, wandte er sich gar nicht mehr nach der Barriere um, sondern gab seine Pistole Kirillow und begab sich eilig zu den Pferden. Sein Gesicht drückte Ärger aus; er schwieg. Auch Kirillow sagte nichts. Sie setzten sich auf die Pferde und jagten im Galopp davon.
III.
»Warum schweigen Sie?« rief er Kirillow ungeduldig zu, als sie nicht mehr weit vom Stawroginschen Hause entfernt waren.
»Was wünschen Sie?« antwortete dieser, der beinah von dem sich bäumenden Pferde herunterrutschte.
Stawrogin beherrschte sich.
»Ich wollte diesen ... Narren nicht beleidigen und habe ihn doch wieder beleidigt,« sagte er leise.
»Ja, Sie haben ihn wieder beleidigt,« versetzte Kirillow kurz, »und dabei ist er kein Narr.«
»Ich habe doch alles getan, was ich konnte.«
»Nein.«
»Was hätte ich denn tun sollen?«
»Ihn nicht fordern.«
»Noch einen Schlag ins Gesicht hinnehmen?«
»Ja, noch einen Schlag hinnehmen.«
»Da hört mein Verständnis auf!« versetzte Stawrogin ärgerlich. »Warum erwarten alle von mir etwas, was sie von anderen nicht erwarten? Warum soll ich ertragen, was niemand erträgt, und freiwillig eine Last auf mich nehmen, die niemand tragen kann?«
»Ich glaubte, Sie suchten selbst nach einer Last.«
»Ich suchte nach einer Last?«
»Ja.«
»Haben Sie ... haben Sie das gesehen?«
»Ja.«
»War das so bemerkbar?«
»Ja.«
Sie schwiegen etwa eine Minute lang. Stawrogin sah sorgenvoll, beinah betroffen aus.
»Ich habe auf ihn nicht geschossen, weil ich nicht töten wollte; weiter hatte ich keinen Grund, versichere ich Sie,« sagte er eilfertig und erregt, als ob er sich rechtfertigen wollte.
»Sie hätten ihn nicht beleidigen sollen.«
»Was hätte ich denn tun sollen?«
»Sie mußten ihn töten.«
»Sie bedauern, daß ich ihn nicht getötet habe?«
»Ich bedauere nichts. Ich hatte gedacht, Sie wollten ihn wirklich töten. Sie wissen nicht, was Sie suchen.«
»Ich suche eine Last,« versetzte Stawrogin lachend.
»Wenn Sie selbst Blutvergießen vermeiden wollten, warum gaben Sie ihm die Möglichkeit, Sie zu töten?«
»Wenn ich ihn nicht gefordert hätte, so würde er mich so getötet haben, ohne Duell.«
»Das war nicht Ihre Sache. Vielleicht hätte er es auch nicht getan.«
»Sondern mich nur geprügelt?«
»Das war nicht Ihre Sache. Tragen Sie die Last! Sonst gibt es kein Verdienst.«
»Was schert mich Ihr Verdienst; danach strebe ich bei niemandem.«
»Ich glaubte, Sie täten es,« schloß Kirillow sehr kaltblütig.
Sie ritten auf den Hof des Hauses.
»Wollen Sie zu mir kommen?« fragte Nikolai Wsewolodowitsch einladend.
»Nein, ich will nach Hause; leben Sie wohl!«
Er stieg vom Pferde und nahm seinen Kasten unter den Arm.
»Sie sind mir doch wenigstens nicht böse?« sagte Stawrogin und streckte ihm die Hand hin.
»Ganz und gar nicht!« erwiderte Kirillow und kehrte noch einmal um, um ihm die Hand zu drücken. »Wenn mir meine Last leicht ist, weil das in meiner Natur liegt, so ist Ihnen Ihre Last vielleicht schwerer, weil Ihre Natur so beschaffen ist. Sehr zu schämen brauchen Sie sich darüber nicht, nur ein klein wenig.«
»Ich weiß, daß ich ein schwacher Charakter bin; aber ich dränge mich auch nicht unter die Starken ein.«
»Daran tun Sie recht; Sie sind kein starker Mensch. Kommen Sie zu mir, Tee trinken!«
Nikolai Wsewolodowitsch ging in großer Erregung auf sein Zimmer.
IV.
Er erfuhr sogleich von Alexei Jegorowitsch, seine Mutter habe sich sehr über seinen Spazierritt gefreut, den ersten nach achttägiger Krankheit, habe selbst anspannen lassen und sei allein ausgefahren, »so wie die gnädige Frau das in früheren Tagen zu tun pflegten, um frische Luft zu atmen; denn in diesen acht Tagen hatten die gnädige Frau schon ganz vergessen, was es heißt, frische Luft atmen.«
»Ist sie allein ausgefahren oder mit Darja Pawlowna?« unterbrach Nikolai Wsewolodowitsch den Alten schnell und machte ein sehr finsteres Gesicht, als er hörte, daß Darja Pawlowna wegen Unwohlseins nicht habe mitfahren mögen und sich jetzt auf ihrem Zimmer befinde.
»Höre mal, Alter,« sagte er, wie wenn er plötzlich einen Entschluß faßte. »Paß heute den ganzen Tag über auf sie auf, und wenn du merkst, daß sie zu mir kommen will, so halte sie sogleich zurück und bestelle ihr, ich könne sie wenigstens ein paar Tage nicht empfangen ... ich selbst ließe sie bitten, nicht
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