Die Dämonen
Jetzt, wo Lisaweta Nikolajewna schon ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt war, konnte man ihr Vermögen kühn auf zweihunderttausend Rubel eigenen Geldes schätzen, ungerechnet das Vermögen, das ihr seiner Zeit als Erbschaft von ihrer Mutter zufallen mußte, die in ihrer zweiten Ehe keine Kinder gehabt hatte. Warwara Petrowna war mit dem Erfolge ihrer Reise anscheinend sehr zufrieden. Ihrer Meinung nach hatte sie sich mit Praskowja Iwanowna bereits in befriedigender Weise geeinigt, und sie teilte gleich nach ihrer Ankunft alles Stepan Trofimowitsch mit; sie war ihm gegenüber sogar sehr offen, was schon seit langer Zeit bei ihr nicht der Fall gewesen war.
»Hurra!« rief Stepan Trofimowitsch und schnippte mit den Fingern.
Er war höchst entzückt, um so mehr, da er die ganze Zeit der Trennung von seiner Freundin in größter Niedergeschlagenheit verbracht hatte. Bei ihrer Abreise ins Ausland hatte sie von ihm nicht einmal ordentlich Abschied genommen und »diesem alten Weibe« nichts von ihren Plänen mitgeteilt, vielleicht in der Befürchtung, daß er etwas weiterplaudern werde. Sie war damals auf ihn wegen eines beträchtlichen Verlustes im Kartenspiel ärgerlich gewesen, der plötzlich zutage gekommen war. Aber schon, als sie noch in der Schweiz war, hatte sie in ihrem Herzen gefühlt, daß sie den zurückgesetzten Freund bei ihrer Rückkehr belohnen müsse, um so mehr, da sie ihn schon seit längerer Zeit unfreundlich behandelt habe. Die schnelle, geheimnisvolle Trennung hatte Stepan Trofimowitschs schüchternes Herz befremdet und verwundet, und unglücklicherweise drangen gleichzeitig auch noch andere Sorgen auf ihn ein. Es quälte ihn eine recht bedeutende, schon lange bestehende pekuniäre Verpflichtung, die ohne Warwara Petrownas Beihilfe schlechterdings nicht in befriedigender Weise erledigt werden konnte. Außerdem hatte im Mai des laufenden Jahres die Tätigkeit unseres guten, milden Iwan Osipowitsch als Gouverneur endlich ein Ende genommen; er wurde durch einen Nachfolger abgelöst, und sogar nicht ohne Unannehmlichkeiten. Darauf war, ebenfalls in Warwara Petrownas Abwesenheit, die Ankunft unseres neuen Chefs, Andrei Antonowitsch v. Lembke, erfolgt; damit gleichzeitig hatte sofort auch eine merkliche Veränderung in den Beziehungen fast der ganzen höheren Gesellschaft unserer Gouvernementsstadt zu Warwara Petrowna und folglich auch zu Stepan Trofimowitsch begonnen. Wenigstens hatte er bereits mehrere unangenehme, wiewohl wertvolle Beobachtungen gemacht und war, wie es schien, so allein, ohne Warwara Petrowna, sehr ängstlich geworden. In großer Aufregung argwöhnte er, daß er dem neuen Gouverneur schon als ein gefährlicher Mensch denunziert sei. Er hatte als sicher erfahren, daß mehrere unserer Damen ihre Besuche bei Warwara Petrowna einzustellen beabsichtigten. Über die künftige Frau Gouverneur (die bei uns erst zum Herbst erwartet wurde) hieß es allgemein, sie sei zwar dem Vernehmen nach sehr stolz, aber dafür eine echte Aristokratin, »eine ganz andere Sorte als unsere unglückliche Warwara Petrowna.« Allen war es irgendwoher mit Einzelheiten glaubwürdig bekannt, daß die neue Frau Gouverneur und Warwara Petrowna schon früher einmal in der Gesellschaft einander begegnet, aber als Feindinnen voneinander geschieden seien, so daß schon die bloße Erwähnung des Namens der Frau v. Lembke auf Warwara Petrowna einen peinlichen Eindruck machen werde. Aber Warwara Petrownas mutige, siegesbewußte Miene und der geringschätzige Gleichmut, mit dem sie die Mitteilungen über die Meinungen unserer Damen und über die Aufregung der Gesellschaft anhörte, belebten die gesunkenen Lebensgeister des furchtsamen Stepan Trofimowitsch von neuem und machten ihn in einem Augenblicke wieder heiter. Mit freudiger Dienstwilligkeit und besonderem Humor begann er ihr von der Ankunft des neuen Gouverneurs zu erzählen.
»Es ist Ihnen,
excellente amie,
ohne Zweifel bekannt,« sagte er, indem er die Worte in gezierter, stutzerhafter Weise in die Länge zog, »was ein russischer Verwaltungsbeamter allgemein gesagt und insbesondere ein neuer, das heißt neugebackener, neuernannter russischer Verwaltungsbeamter zu bedeuten hat. Aber Sie haben wohl kaum bisher aus eigener Erfahrung kennen gelernt, was es mit dem Beamtenkoller auf sich hat, und was das eigentlich für ein Ding ist?«
»Beamtenkoller? Nein, ich weiß nicht, was das ist.«
»Das ist ...
Vous savez, chez nous ... En un mot,
man stelle einen ganz wertlosen
Weitere Kostenlose Bücher