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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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großer Bereitwilligkeit einverstanden. Im Klub wurde bekannt, daß er mit Peter Pawlowitsch Gaganow in dessen Hause eine sehr zartfühlende Aussprache gehabt hatte, durch die dieser vollständig zufriedengestellt worden sei. Bei seinen Visitenfahrten war Nikolai sehr ernst und sogar etwas traurig. Alle empfingen ihn anscheinend mit großer Teilnahme; aber alle fühlten sich doch einigermaßen verlegen und freuten sich darüber, daß er nach Italien fuhr. Iwan Osipowitsch vergoß sogar Tränen, konnte sich aber aus einem gewissen Grunde nicht entschließen, ihn zu umarmen, auch nicht im Augenblicke des Abschiedes selbst. Allerdings verblieben einige von uns bei der Überzeugung, daß der Taugenichts sich einfach über uns alle lustig gemacht habe und die ganze Krankheit fingiert gewesen sei. Auch bei Liputin machte er einen Besuch.
    »Sagen Sie,« fragte er ihn, »wie konnten Sie das, was ich über Ihren Verstand sagen würde, im voraus erraten und Ihrer Agafja eine Antwort darauf mitgeben?«
    »Nun, ganz einfach,« erwiderte Liputin lachend: »auch ich halte Sie für einen klugen Menschen; daher konnte ich Ihre Antwort vorhersehen.«
    »Immerhin ist es ein merkwürdiges Zusammentreffen. Aber erlauben Sie noch eine Frage: Sie haben mich also für einen vernünftigen Menschen gehalten, als Sie Agafja zu mir schickten, und nicht für einen Verrückten?«
    »Für einen sehr klugen und vernünftigen; ich stellte mich nur, als hielte ich Sie für gestört ... Und Sie selbst haben ja auch meine Gedanken damals sofort erraten und mir durch Agafja ein Zeugnis über meine Klugheit zugeschickt.«
    »Nun, in diesem Punkte irren Sie sich ein bißchen; ich war wirklich nicht wohl ...« murmelte Nikolai Wsewolodowitsch mit finsterer Miene. »Bah!« rief er, »glauben Sie denn wirklich, daß ich bei vollem Verstande fähig wäre, über Menschen herzufallen? Was sollte ich denn dabei für einen Zweck haben?«
    Liputin krümmte sich zusammen und wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Nikolai wurde etwas blaß; wenigstens schien es Liputin so.
    »Jedenfalls haben Sie eine sehr amüsante Art der Gedankenbildung,« fuhr Nikolai fort. »Und was Agafja anlangt, so begreife ich natürlich, daß Sie sie zu mir geschickt haben, um mich auszuschimpfen.«
    »Ich konnte Sie doch nicht zum Duell fordern?«
    »Ach ja, sehen Sie mal! Ich habe ja so etwas gehört, daß Sie ein Gegner des Duells sind ...«
    »Warum soll man das von den Franzosen herübernehmen?« erwiderte Liputin, sich wieder zusammenkrümmend.
    »Sie sind ein Anhänger der Nationalitätsidee?«
    Liputin krümmte sich noch mehr zusammen.
    »Ah, ah! Was sehe ich!« rief Nikolai auf einmal, als er auf dem Tische an der sichtbarsten Stelle einen Band von Considérant 1 bemerkte. »Sie sind doch nicht etwa Fourierist? Na so etwas! Ist denn das etwa nicht eine Übersetzung aus dem Französischen?« sagte er lachend und klopfte mit den Fingern auf das Buch.
    »Nein, das ist keine Übersetzung aus dem Französischen!« versetzte Liputin und sprang mit einem gewissen Ingrimm auf. »Das ist eine Übersetzung aus der universellen Sprache der Menschheit und nicht nur aus dem Französischen! Aus der Sprache der universellen sozialen Republik und Harmonie; so ist es! Und nicht nur aus dem Französischen! ...«
    »Donnerwetter! So eine Sprache gibt es ja gar nicht!« erwiderte Nikolai weiter lachend.
    Manchmal nimmt sogar eine Kleinigkeit unsere Aufmerksamkeit ausschließlich und lange in Anspruch. Über Herrn Stawrogin werde ich noch recht viel zu sagen haben; aber jetzt bemerke ich der Kuriosität halber, daß von allen Eindrücken während der ganzen Zeit, die er in unserer Stadt verlebte, sich seinem Gedächtnisse am schärfsten die unscheinbare und beinah gemeine Gestalt Liputins einprägte, dieses geringen Gouvernementsbeamten, eifersüchtigen Ehemannes und groben Familiendespoten, argen Geizhalses und Wucherers, der die Überreste vom Mittagessen und die Lichtstümpfchen wegschloß und gleichzeitig ein fanatischer Anhänger Gott weiß welcher künftigen »sozialen Harmonie« war, sich nachts bis zur Berauschtheit bei den phantastischen Vorstellungen von einem künftigen
phalanstère
2 entzückte und an dessen nahe Verwirklichung in Rußland und in unserm Gouvernement so fest wie an seine eigene Existenz glaubte. Und das an einem Orte, wo er selbst sich von seinem zusammengescharrten Gelde ein Häuschen gekauft, wo er sich zum zweitenmal verheiratet und mit seiner Frau ein Sümmchen

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