Die Dämonen
Trofimowitsch,« rief Lisa sogleich.
»Sind Sie bei Stepan Trofimowitsch angestellt? Der ist ja auch Professor?«
»Ach Mama, Sie träumen gewiß auch in der Nacht von Professoren!« rief Lisa ärgerlich.
»Ich habe auch schon bei Tage genug davon! Aber du mußt doch auch immer deiner Mutter widersprechen. Waren Sie hier, als Nikolai Wsewolodowitsch vor vier Jahren herkam?«
Ich antwortete bejahend.
»War da ein Engländer mit Ihnen zusammen hier?«
»Nein, es war keiner hier.«
Lisa lachte.
»Siehst du wohl, es ist gar kein Engländer dagewesen; also ist das Schwindel. Warwara Petrowna und Stepan Trofimowitsch schwindeln alle beide. Alle Menschen schwindeln.«
»Nämlich die Tante und Stepan Trofimowitsch«, sagte Lisa erklärend zu uns, »fanden gestern eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Nikolai Wsewolodowitsch und dem Prinzen Harry in Shakespeares Heinrich dem Vierten, und daher fragt Mama, ob kein Engländer dagewesen sei.«
»Wenn kein Harry da war, dann war auch kein Engländer da. Nikolai Wsewolodowitsch hat seine Tollheiten allein begangen.«
»Ich versichere Ihnen, daß Mama absichtlich so redet,« fand Lisa für nötig zu Schatow zur Erklärung zu sagen. »Sie weiß sehr gut mit Shakespeare Bescheid. Ich habe ihr selbst den ersten Akt des Othello vorgelesen; aber sie ist jetzt sehr leidend. Mama, hören Sie? Es schlägt zwölf; es ist Zeit, daß Sie Ihre Medizin einnehmen.«
»Der Doktor ist gekommen,« meldete das Stubenmädchen, das in der Tür erschien.
Die alte Dame stand auf und rief ihr Hündchen:
»Semirka, Semirka, komm mit mir mit!«
Das kleine, alte, häßliche Hündchen Semirka gehorchte indessen nicht, sondern kroch unter das Sofa, auf dem Lisa saß.
»Du willst nicht? Dann will ich dich auch gar nicht haben. Leben Sie wohl, mein Lieber; ich kenne Ihren Vor- und Vatersnamen nicht,« wandte sie sich an mich.
»Anton Lawrentjewitsch ...«
»Nun, es ist ganz gleich, ob ich es höre oder nicht; so etwas geht bei mir zum einen Ohre herein und aus dem andern hinaus. Sie brauchen mich nicht zu begleiten, Mawriki Nikolajewitsch; ich hatte nur Semirka gerufen. Ich kann ja, Gott sei Dank, noch allein gehen, und morgen will ich spazieren fahren.«
Ärgerlich verließ sie den Salon.
»Anton Lawrentjewitsch, unterhalten Sie sich solange mit Mawriki Nikolajewitsch; ich versichere Ihnen, daß Sie beide Gewinn davon haben werden, wenn Sie einander näher kennen lernen,« sagte Lisa und lächelte dem Offizier freundlich zu, dessen Gesicht unter ihrem Blick freudig aufleuchtete.
Es war weiter nichts zu machen; es blieb mir nichts übrig, als mich mit Mawriki Nikolajewitsch zu unterhalten.
II.
Zu meiner Verwunderung stellte es sich heraus, daß Lisaweta Nikolajewna mit Schatow tatsächlich nur über ein literarisches Unternehmen sprechen wollte. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte mir eingebildet, sie habe ihn zu irgendeinem andern Zwecke zu sich kommen lassen. Da wir, das heißt ich und Mawriki Nikolajewitsch, sahen, daß die beiden aus der Sache kein Geheimnis vor uns machten und ganz laut sprachen, so fingen wir an zuzuhören; dann wurden wir sogar zu Rate gezogen. Die ganze Sache bestand darin, daß Lisaweta Nikolajewna schon lange die Herausgabe eines ihrer Meinung nach nützlichen Buches plante, aber bei ihrer völligen Unerfahrenheit eines Mitarbeiters bedurfte. Der Ernst, mit welchem sie sich daran machte, Schatow ihren Plan auseinanderzusetzen, setzte mich geradezu in Erstaunen.
»Also auch eine von der modernen Richtung,« dachte ich; »sie scheint nicht umsonst in der Schweiz gewesen zu sein.«
Schatow hörte, den Blick auf den Boden geheftet, aufmerksam zu und bekundete nicht die geringste Verwunderung darüber, daß eine durch ganz andere Interessen in Anspruch genommene Dame der höheren Gesellschaftskreise sich mit solchen ihr anscheinend fernliegenden Dingen abgab.
Das literarische Unternehmen war von folgender Art. Es erscheinen in Rußland in den Hauptstädten und in der Provinz eine Menge von Zeitungen und anderen Journalen, und in ihnen wird täglich über eine Menge von Ereignissen berichtet. Das Jahr geht zu Ende, die Zeitungen werden überall entweder in Schränke gepackt oder beschmutzt und zerrissen oder zum Einwickeln und zu Nachtmützen verwendet. Viele der publizierten Tatsachen machen Eindruck und haften eine Weile im Gedächtnisse, werden aber dann im Laufe der Jahre vergessen. Viele Leute möchten sich dann gern über solche Dinge informieren; aber
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