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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ursprüngliche Gedanke entwickelte sich in der entzückten Phantasie der Gründerin zu größeren Dimensionen: sie träumte schon von der Gründung eines ebensolchen Komitees in Moskau und von der allmählichen Ausbreitung der Wirksamkeit desselben über alle Gouvernements. Aber siehe da, durch den plötzlichen Personalwechsel in der Verwaltung des Gouvernements geriet alles ins Stocken; die neue Frau Gouverneur hatte, wie man sagte, in der Gesellschaft bereits einige spitze und, was die Hauptsache war, zutreffende sachliche Einwendungen in betreff der Undurchführbarkeit der Grundideen eines solchen Komitees zum Ausdruck gebracht, was, selbstverständlich mit Ausschmückungen, Warwara Petrowna bereits hinterbracht worden war. Nur Gott kennt die Tiefen des Menschenherzens; aber ich glaube, daß Warwara Petrowna jetzt sogar mit einem gewissen Vergnügen am Portal des Domes stehen blieb, da sie wußte, daß im nächsten Augenblicke die Frau Gouverneur und nach dieser alle andern Damen an ihr vorbeikommen mußten. Sie sagte sich: »Mag sie mit eigenen Augen sehen, wie gleichgültig es mir ist, was sie über mich denkt, und was sie über die Eitelkeit meiner Wohltätigkeitsbestrebungen witzelt. Nun könnt ihr alle zusehen!«
    »Was wollen Sie, liebes Kind? Um was bitten Sie?« fragte Warwara Petrowna, indem sie die vor ihr Kniende aufmerksam betrachtete.
    Diese sah mit einem überaus zaghaften, schüchternen, aber beinah andächtigen Blicke zu ihr auf und lachte auf einmal in derselben sonderbaren kichernden Manier wie vorher.
    »Was hat sie? Wer ist sie?«
    Warwara Petrowna ließ ihren befehlshaberischen, fragenden Blick bei den Umstehenden herumgehen. Alle schwiegen.
    »Sind Sie unglücklich? Bedürfen Sie einer Unterstützung?«
    »Ja ... ich bin gekommen ...« stammelte die »Unglückliche« mit einer Stimme, die vor Aufregung versagte. »Ich bin nur gekommen, um Ihnen die Hand zu küssen ...« Und wieder kicherte sie.
    Mit einem ganz kindlichen Blicke, so wie Kinder blicken, wenn sie schmeichelnd um etwas bitten, streckte sie den Arm aus, um Warwara Petrownas Hand zu ergreifen, zog ihn aber, wie erschrocken, auf einmal wieder zurück.
    »Nur deswegen sind Sie gekommen?« fragte Warwara Petrowna mit mitleidigem Lächeln, zog aber sofort ihr Perlmutterportemonnaie aus der Tasche, entnahm ihm einen Zehnrubelschein und reichte ihn der Unbekannten hin.
    Diese nahm ihn. Warwara Petrownas Interesse war stark angeregt, und sie hielt die Unbekannte offenbar nicht für eine gewöhnliche Bittstellerin.
    »Nun seht mal an, zehn Rubel hat sie ihr gegeben!« sagte jemand in der Menge.
    »Gestatten Sie mir, bitte, Ihre Hand!« stammelte die »Unglückliche«; sie hielt mit den Fingern der linken Hand die empfangene Banknote an einer Ecke fest, so daß sie im Winde wehte.
    Warwara Petrowna runzelte ein wenig die Stirn (es mußte ihr wohl etwas mißfallen) und hielt ihr mit ernster, fast strenger Miene die Hand hin; diese küßte sie ehrfurchtsvoll. In ihrem dankbaren Blicke leuchtete sogar eine Art von Entzücken. Und gerade in diesem Augenblicke kam die Frau Gouverneur heran, und hinter ihr her strömte die ganze Schar unserer Damen und höchsten Würdenträger. Die Frau Gouverneur mußte notgedrungen einen Augenblick im Gedränge stehen bleiben; und ebenso die andern.
    »Sie zittern ja; frieren Sie?« fragte Warwara Petrowna plötzlich.
    Sie warf ihren Mantel ab, den der Diener im Fallen auffing, nahm ihr schwarzes, sehr kostbares Schaltuch von den Schultern und hüllte den entblößten Hals der immer noch knienden Bittstellerin eigenhändig damit ein.
    »Aber stehen Sie doch auf; erheben Sie sich; ich bitte Sie darum!«
    Jene stand auf.
    »Wo wohnen Sie? Weiß denn wirklich niemand, wo sie wohnt?« fragte Warwara Petrowna ungeduldig und sah sich rings um.
    Aber die frühere Volksmenge war nicht mehr da; es waren nur bekannte, der besseren Gesellschaft angehörige Personen zu sehen, die den Vorgang verfolgten, die einen mit großem Erstaunen, andere mit schlauer Neugier und zugleich mit einer unschuldigen Freude an einem kleinen Skandal; wieder andere fingen sogar an, sich darüber lustig zu machen.
    »Ich glaube, sie ist eine Angehörige eines gewissen Lebjadkin,« meldete sich schließlich ein gutmütiger Mensch mit einer Antwort auf Warwara Petrownas Frage, nämlich unser achtungswerter und von vielen hochgeschätzter Kaufmann Andrejew mit der Brille, dem grauen Barte, der russischen Tracht und dem in der Hand gehaltenen

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