Die Dämonen
wieder irgendeine Einbildung zurechtgemacht, mit der du dann hergekommen bist. Du hast dein ganzes Leben über immer in der Einbildung gelebt. Du ereifertest dich soeben darüber, daß ich von der Pension sprach; aber weißt du wohl noch, wie du hinkamst und der ganzen Klasse versichertest, der Husarenoffizier Schablykin habe um deine Hand angehalten, und wie Madame Lefebure dich sofort der Lüge überführte? Aber du hattest nicht gelogen; du hattest dir das einfach zu deinem Amüsement eingebildet. Nun sage, was du jetzt mitgebracht hast? Was hast du dir wieder eingebildet? Womit bist du unzufrieden?«
»Sie aber haben sich in der Pension in den Popen verliebt, der uns Religionsstunde gab. Da haben Sie es, wenn Sie anderen von jener Zeit her noch Schlechtes nachreden! Ha-ha-ha!«
Sie lachte höhnisch und geriet dabei ins Husten.
»A-ah, also den Popen hast du nicht vergessen ...« versetzte Warwara Petrowna und warf ihr einen haßerfüllten Blick zu.
Ihr Gesicht war ganz grünlich geworden. Praskowja Iwanowna nahm auf einmal eine würdevolle Haltung an.
»Mir ist jetzt nicht zum Lachen zumute, meine Liebe; warum haben Sie meine Tochter angesichts der ganzen Stadt in Ihre Skandalgeschichte mit hineingezogen? Deshalb bin ich hergekommen.«
»In meine Skandalgeschichte?« fragte Warwara Petrowna und richtete sich drohend gerade.
»Mama, auch ich bitte Sie dringend, sich zu mäßigen,« sagte Lisaweta Nikolajewna auf einmal.
»Was hast du gesagt?« rief die Mama, die sich anschickte wieder loszujammern; aber sie stockte plötzlich unter dem funkelnden Blicke ihrer Tochter.
»Wie können Sie von einer Skandalgeschichte reden, Mama?« ereiferte sich Lisa. »Ich bin auf meinen eigenen Wunsch und mit Julija Michailownas Erlaubnis hierhergefahren, weil ich die Geschichte dieser Unglücklichen erfahren wollte, um ihr nützlich zu sein.«
»Die Geschichte dieser Unglücklichen!« sagte Praskowja Iwanowna gedehnt mit boshaftem Lachen. »Paßt es sich etwa, daß du dich in solche Geschichten hineinmischst? Ach, meine Liebe, von Ihrem Despotismus haben wir jetzt genug!« wandte sie sich wütend zu Warwara Petrowna. »Man sagt, mags nun wahr sein oder nicht, Sie hätten hier die ganze Stadt tyrannisiert; aber jetzt ist es augenscheinlich damit zu Ende!«
Warwara Petrowna saß gerade aufgerichtet da; sie glich einem Pfeile, der bereit ist, vom Bogen zu fliegen. Etwa zehn Sekunden lang hielt sie einen strengen Blick unverwandt auf Praskowja Iwanowna geheftet.
»Nun, du kannst Gott danken, Praskowja, daß wir hier unter uns sind,« sagte sie endlich mit unheilverkündender Ruhe. »Du hast viel Ungehöriges gesagt.«
»Ich für meine Person, meine Liebe, fürchte die Meinung der Welt nicht so, wie es manche andern Leute tun; Sie sind es, die unter dem Scheine des Stolzes vor der Meinung der Welt zittert. Und daß hier nur gute Freunde sind, das ist für Sie besser, als wenn Fremde zuhörten.«
»Du bist wohl in dieser Woche sehr klug geworden, wie?«
»Ich bin in dieser Woche nicht weiter klug geworden; aber offenbar ist die Wahrheit in dieser Woche ans Licht gekommen.«
»Was für eine Wahrheit soll in dieser Woche ans Licht gekommen sein? Höre, Praskowja Iwanowna, reize mich nicht; sprich dich augenblicklich deutlich aus, ich bitte dich inständig: was für eine Wahrheit ist ans Licht gekommen, und was willst du damit sagen?«
»Da sitzt ja die ganze Wahrheit!« rief Praskowja Iwanowna und wies mit dem Finger auf Marja Timofejewna; sie zeigte jene Entschlossenheit zum Äußersten, die nicht mehr an die Folgen denkt, wenn sie nur im Augenblick kräftig wirken kann.
Marja Timofejewna, die die ganze Zeit über mit heiterer Neugier nach ihr hingeblickt hatte, lachte vergnügt auf, als sie den Finger der zornigen Besucherin auf sich gerichtet sah, und bewegte sich vergnügt in ihrem Lehnsessel hin und her.
»Herr Jesus Christus, sind denn hier alle verrückt geworden?« rief Warwara Petrowna und sank erbleichend gegen die Lehne zurück.
Sie war so blaß geworden, daß eine allgemeine Aufregung entstand. Stepan Trofimowitsch war der erste, der zu ihr hineilte; auch ich trat näher heran; sogar Lisa stand von ihrem Platze auf, obgleich sie bei ihrem Lehnsessel stehen blieb; aber am meisten erschrak Praskowja Iwanowna selbst: sie schrie auf, erhob sich, so gut es ging, und heulte fast mit weinerlicher Stimme:
»Liebe Freundin, Warwara Petrowna, verzeihen Sie mir meine boshafte Dummheit! Aber gebe ihr doch jemand
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