Die Dämonen
beschmutzt. Du dagegen hast das getan. Aber da du damit angefangen hast, so will ich dir sagen, daß auch ich vor etwa sechs Tagen einen albernen anonymen Brief erhalten habe. Darin versichert mir irgendein Taugenichts, Nikolai Wsewolodowitsch habe den Verstand verloren und ich müsse mich vor einer lahmen Frauensperson hüten, die ›in meinem Lebensschicksal eine wichtige Rolle spielen werde‹, ich habe den Ausdruck im Gedächtnis behalten. Ich dachte nach, und da ich weiß, daß Nikolai Wsewolodowitsch außerordentlich viele Feinde hat, so ließ ich sogleich einen hiesigen Einwohner, einen geheimen, besonders rachsüchtigen, verachtenswerten Feind meines Sohnes, zu mir kommen und überzeugte mich im Gespräche mit ihm augenblicklich von dem verächtlichen Ursprunge des anonymen Briefes. Wenn auch du, meine arme Praskowja Iwanowna, um meinetwillen mit solchen verächtlichen Briefen belästigt und, wie du dich ausgedrückt hast, bombardiert worden bist, so tut es mir aufrichtig leid, daß ich die unschuldige Ursache davon gewesen bin. Das ist alles, was ich dir zur Erklärung sagen wollte. Mit Bedauern sehe ich, daß du so müde und so außer dir bist. Ferner bin ich fest entschlossen, sogleich diesen verdächtigen Menschen hereinkommen zu lassen, von welchem Mawriki Nikolajewitsch gesagt hat, es sei unmöglich, ihn zu ›empfangen‹; dieser Ausdruck paßt hier freilich nicht. Aber speziell Lisa wird dabei nichts zu tun haben. Komm zu mir her, liebe Lisa, und laß dich noch einmal küssen!«
Lisa durchschritt das Zimmer und blieb schweigend vor Warwara Petrowna stehen. Diese küßte sie, faßte sie an beiden Händen, schob sie ein wenig von sich zurück und betrachtete sie mit warmer Empfindung; dann bekreuzte sie sie und küßte sie noch einmal.
»Nun, dann lebewohl, Lisa« (Warwara Petrownas Stimme klang fast, als ob sie die Tränen unterdrückte,) »sei überzeugt, daß ich niemals aufhören werde, dich zu lieben, was dir auch das Schicksal von nun an bringen mag ... Gott sei mit dir! Ich habe mich immer willig in das gefügt, was Seine heilige Hand über uns verhängt ...«
Sie wollte noch etwas hinzufügen, beherrschte sich aber und schwieg. Lisa ging, immer noch in gleicher Weise schweigend und wie in Gedanken versunken, nach ihrem Platze zu, blieb aber plötzlich vor ihrer Mutter stehen.
»Ich werde noch nicht fortfahren, Mama; ich werde noch eine Weile bei der Tante bleiben,« sagte sie leise; aber aus diesen leisen Worten konnte man eine eiserne Entschlossenheit heraushören.
»Herr du mein Gott, was stellt das nun wieder vor!« jammerte Praskowja Iwanowna und schlug kraftlos die Hände zusammen.
Aber Lisa antwortete nicht und schien nicht einmal zu hören; sie setzte sich in ihre frühere Ecke und begann wieder irgendwohin in die Luft zu sehen.
Ein stolzes Siegesbewußtsein leuchtete in Warwara Petrownas Gesichte auf.
»Mawriki Nikolajewitsch, ich habe eine große Bitte an Sie: tun Sie mir doch den Gefallen, nach unten zu gehen und sich diesen Menschen anzusehen; und wenn es einigermaßen möglich ist, ihn hereinzulassen, so bringen Sie ihn hierher!«
Mawriki Nikolajewitsch verbeugte sich und ging hinaus. Eine Minute darauf kehrte er mit Herrn Lebjadkin zurück.
IV.
Ich habe schon einiges von dem Äußeren dieses Herrn gesagt: er war ein hochgewachsener, kraushaariger, vierschrötiger Mann, etwa vierzig Jahre alt, mit rotem, etwas schwammigem, aufgedunsenem Gesichte, in welchem die Backen bei jeder Kopfbewegung zitterten, mit kleinen, blutunterlaufenen, manchmal sehr schlau blickenden Augen, mit Schnurrbart und Backenbart und mit einem vorstehenden, fleischigen Kehlkopf von recht häßlichem Aussehen. Aber am meisten überraschte bei ihm der Umstand, daß er jetzt im Frack und mit reiner Wäsche erschien. »Bei manchen Leuten sieht reine Wäsche geradezu unanständig aus,« hatte Liputin einmal gesagt, als ihm Stepan Trofimowitsch einen scherzhaften Vorwurf wegen seiner Unsauberkeit machte. Der Hauptmann hatte auch schwarze Handschuhe, von denen er den rechten noch nicht angezogen hatte, sondern in der Hand hielt, während der linke, straff anliegend und nicht zugeknöpft, nur zur Hälfte seine dicke linke Tatze bedeckte, in welcher er einen ganz neuen, glänzenden und gewiß zum ersten Male in Gebrauch genommenen Zylinderhut hielt. Es erwies sich also, daß der »Liebesfrack«, von dem er Schatow gestern etwas zugeschrien hatte, tatsächlich existierte. Alles dies, das heißt der Frack
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