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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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hat es keine Not. Wenn du mit dem Frühstück fertig bist, dann lass uns gehen, beste Träumerin und zweitbeste unter den Oneiromantinnen. Es wird gut sein, wenn ich dir unverzüglich die anderen Gründe erkläre, aus denen ich gerade dich als Assistentin ausgewählt habe.«
    Von den steinernen Wänden strahlte eine Kälte aus, die weder von den schweren Gobelins noch von der nachgedunkelten Täfelung gemildert wurde. Der Steinfußboden ließ die Füße durch die Schuhsohlen hindurch frieren.
    »Hinter dieser Tür« – Nimue wies beiläufig darauf – »befin det sich das Laboratorium. Wie gesagt, du kannst darüber nach Belieben verfügen. Natürlich ist Vorsicht angebracht. Maßhalten empfiehlt sich vor allem bei Versuchen, einen Besen zum Wassertragen zu zwingen.«
    Condwiramurs kicherte höflich, obwohl der Witz einen Bart hatte. Alle Mentorinnen tischten ihren Schützlingen Scherze auf, die sich auf die legendären Missgeschicke des legendären Zauberlehrlings bezogen.
    Die Treppe wand sich aufwärts wie eine Seeschlange und schien kein Ende zu haben. Und sie war steil. Ehe sie anlangten, war Condwiramurs in Schweiß geraten und atmete schwer. Nimue war überhaupt keine Anstrengung anzumerken.
    »Hierher bitte.« Sie öffnete eine Eichentür. »Vorsicht, Schwelle.«
    Condwiramurs trat ein und seufzte.
    Das Zimmer war eine Galerie. Ihre Wände waren von der Decke bis zum Boden mit Bildern behangen. Dort hingen große, alte, abblätternde und rissige Ölgemälde, Miniaturen, vergilbte Stiche und Holzschnitte, verblasste Aquarelle und Sepiazeichnungen. Dort hingen auch farbenfrohe modernistische Gouache- und Temperamalereien, Aquatinta- und Ätzradierungen mit klaren Strichen, Lithographien und kontrastreiche Mezzotinti, die den Blick mit ausdrucksvollen Flecken von Schwarz anzogen.
    Nimue blieb vor einem nächst der Tür hängenden Bild stehen, das eine unter einem riesigen Baum versammelte Gruppe darstellte. Sie schaute auf die Leinwand, dann auf Condwiramurs, und ihr schweigender Blick war überaus beredt.
    »Rittersporn« – die Adeptin, die sogleich erkannt hatte, worum es ging, ließ sie nicht warten – »singt Balladen unter der Eiche Bleobheris.«
    Nimue lächelte, nickte. Und sie machte einen Schritt, blieb vor dem nächsten Bild stehen. Ein Aquarell. Symbolismus. Zwei Frauensilhouetten auf einer Anhöhe. Über ihnen kreisende Möwen, unter ihnen, an den Hängen der Anhöhe, ein Reigen von Schatten.
    »Ciri und Triss Merigold, die prophetische Vision in Kaer Morhen.«
    Ein Lächeln, ein Nicken, ein Schritt, das nächste Bild. Ein Reiter auf galoppierendem Pferd, zwischen einem Spalier von verkrüppelten Erlen, die die Astarme zu ihm ausstrecken. Condwiramurs fühlte, wie der Regen durch sie hindurchdrang.
    »Ciri   … Hmm   … Das wird wohl ihr Ritt zum Treffen mit Geralt auf der Farm des Halblings Hofmeier sein.«
    Das nächste Bild, nachgedunkeltes Öl. Schlachtenmalerei.
    »Geralt und Cahir verteidigen die Brücke über die Jaruga.«
    Dann ging es schnell.
    »Yennefer und Ciri, ihre erste Begegnung im Tempel der Melitele. Rittersporn und die Dryade Eithné im Walde Brokilon. Die Mannschaft Geralts im Schneetreiben am Malheur-Pass   …«
    »Bravo, perfekt«, unterbrach sie Nimue. »Eine hervorragende Kenntnis der Legende. Jetzt kennst du den zweiten Grund, aus dem du hier bist und nicht irgendjemand anders.«
     
    Über dem Tischchen aus Ebenholz, an dem sie Platz genommen hatten, dominierte ein großes Schlachtengemälde, welches anscheinend die Schlacht an der Brenna darstellte, irgendeinen entscheidenden Augenblick oder jemandes kitschigen Heldentod. Das Bild war zweifellos ein Werk von Nikolaus Certosa, man konnte das an dem Ausdruck erkennen, an der perfektionistischen Liebe zum Detail und den für diesen Künstler typischen Lichteffekten.
    »Freilich, ich kenne die Legende vom Hexer und der Hexerin«, antwortete Condwiramurs. »Ich kenne sie, wie ich ohne zu zögern sagen will, in- und auswendig. Als Halbwüchsige habe ich diese Geschichte geliebt, sie verschlungen. Und ich habe geträumt, Yennefer zu sein. Aber ich will ehrlich sein: Selbst wenn es Liebe auf den ersten Blick, selbst wenn sie von explosiver Leidenschaft war   … Sie war nicht von Dauer.«
    Nimue zog die Brauen hoch.
    »Ich habe die Geschichte«, fuhr Condwiramurs fort, »in volkstümlichen Kurzfassungen und Jugendversionen kennengelernt,in Bruchstücken, die
ad usum delphini
beschnitten und gereinigt worden waren. Danach

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