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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Mitunter unflätiger als ein Stallknecht. Und sehr oft war der Fluch die Einleitung zu einem boshaften Streich, wie ihn die Feen bekanntermaßen liebten – zum Beispiel, dass sie jemandem die Nase zur Größe einer Saatgurke anwachsen oder die Männlichkeit auf das Ausmaß eines Bohnensamens schrumpfen ließen.
    Den Ritter lockte weder die erste noch die zweite Möglichkeit. Schon war er drauf und dran, sich diskret zurückzuziehen, als ihn plötzlich das Pferd verriet. Nein, nicht sein eigenes Reittier, das, an den Nüstern festgehalten, ruhig und still wie einMäuschen war. Ihn verriet das Pferd der Fee, eine Rappstute, die der Ritter zunächst zwischen den Felsen nicht bemerkt hatte. Jetzt scharrte die pechschwarze Stute mit dem Huf im Geröll und wieherte zur Begrüßung. Der Hengst des Ritters warf den Kopf hoch und antwortete höflich. Man konnte geradezu das Echo auf dem See hören.
    Die Fee schoss aus dem Wasser hervor, wobei sie sich dem Ritter einen Augenblick lang in ihrer ganzen Ansehnlichkeit präsentierte. Sie stürzte zu dem Felsblock, auf dem ihre Kleidung lag. Doch anstatt irgendein Hemdchen zu packen und sich sittsam zu bedecken, langte sie nach einem Schwert und zog es mit zischendem Geräusch aus der Scheide, wobei sie erstaunlich geschickt mit dem Stahl umging. Das dauerte nur einen winzigen Moment, worauf sich die Fee hinhockte oder -kniete, so dass sie bis zur Nase im Wasser verschwand und den ausgestreckten Arm mit dem Schwert über die Oberfläche hielt.
    Der Ritter schüttelte die Benommenheit ab, ließ die Zügel los und sank auf dem nassen Sand auf ein Knie. Denn er hatte sofort begriffen, wen er vor sich hatte.
    »Sei gegrüßt«, stammelte er und streckte die Hände aus. »Das ist eine große Ehre für mich   … Eine große Auszeichnung, o Dame vom See. Ich nehme dieses Schwert an   …«
    »Ob du vielleicht aufstehen und dich umdrehen könntest?« Die Fee kam bis zum Mund aus dem Wasser. »Ob du vielleicht aufhören könntest zu glotzen? Damit ich mich anziehen kann?«
    Er gehorchte.
    Er hörte sie plätschern, als sie aus dem Wasser kam, hörte sie mit der Kleidung rascheln und leise fluchen, als sie sie auf den nassen Leib zog. Er betrachtete die Rappstute mit dem Fell, glatt und schimmernd wie ein Maulwurfspelz. Das war zweifellos ein Ross von edelstem Geblüt, zweifellos schnell wie der Wind. Zweifellos verwunschen. Es stammte entschieden auch aus Faërie, wie seine Besitzerin.
    »Du kannst dich umdrehen.«
    »Dame vom See   …«
    »Und dich vorstellen.«
    »Ich bin Galahad von Caer Benic. Ein Ritter des Königs Arthur, des Herrn auf dem Schlosse Camelot, des Gebieters über das Sommerreich wie auch über Dumnonia, Dyfneint, Powys, Dyfed   …«
    »Und Temerien?«, fiel sie ihm ins Wort. »Redanien, Rivien, Aedirn? Nilfgaard? Sagen dir diese Namen etwas?«
    »Nein. Die habe ich nie gehört.«
    Sie zuckte mit den Schultern. In der Hand hielt sie außer dem Schwert Stiefel und ein Hemd, das sie gewaschen und ausgewrungen hatte.
    »Das dachte ich mir. Und welchen Tag im Jahr haben wir heute?«
    »Es ist«, antwortete er mit grenzenloser Verwunderung, »der zweite Vollmond nach Beltane   … Dame   …«
    »Ciri«, sagte sie mechanisch, während sie die Schultern bewegte, um die Kleidung auf der trocknenden Haut zurechtzurücken. Sie sprach sonderbar, ihre Augen waren grün und groß   …
    Instinktiv streifte sie die nassen Haare zurück, und der Ritter stieß unwillkürlich einen Seufzer aus. Nicht nur, weil sie ein gewöhnliches Menschenohr hatte, keinesfalls das einer Fee. Ihre Wange war von einer großen, hässlichen Narbe entstellt. Sie war verwundet worden. Konnte man denn eine Fee verwunden?
    Sie bemerkte den Blick, kniff die Augen zusammen und rümpfte die Nase. »Eine Schramme, jawohl!«, sagte sie mit ihrem merkwürdigen Akzent. »Was guckst du so erschrocken? Ist das denn für einen Ritter etwas so Seltsames, eine Narbe? Oder etwas so Hässliches?«
    Langsam, mit beiden Händen nahm er die Kapuze des Kettenpanzers ab, streifte die Haare zurück. »Das ist wahrlich nichts Seltsames für einen Ritter«, sagte er mit einem gewissenjungenhaften Stolz, während er die eigene, erst vor kurzem verheilte Narbe zeigte, die von der Schläfe bis zum Unterkiefer lief. »Und hässlich sind nur Narben auf der Ehre. Ich bin Galahad, der Sohn Lanzelots vom See und Elaines, der Tochter von König Pelles, dem Herrn auf Caer Benic. Diese Wunde hat mir Breunis der Gnadenlose

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