Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
gewesen waren.
»Lieg ruhig, mein Geliebter«, sagte Yennefer sanft. »Lieg ruhig. Beweg dich nicht.«
»Wo sind wir, Yen?«
»Ist das denn wichtig? Wir sind beisammen. Du und ich.«
Vögel sangen, Finken oder Drosseln. Es roch nach Gras, Kräutern, Blumen. Nach Äpfeln.
»Wo ist Ciri?«
»Fortgegangen.«
Sie änderte die Haltung, zog sacht ihren Arm unter seinem Kopf hervor, legte sich neben ihn so ins Gras, dass sie ihm in die Augen schauen konnte. Sie sah ihn gierig an, als wolle sie sich sattsehen, als wolle sie ihn auf Vorrat betrachten, für eine ganze Ewigkeit. Er schaute gleichfalls, und die Sehnsucht schnürte ihm die Kehle zu.
»Wir waren mit Ciri im Boot«, erinnerte er sich. »Auf dem See. Dann auf einem Fluss. Auf einem Fluss mit starker Strömung. Im Nebel …«
Ihre Finger fanden seine Hand, drückten sie kräftig. »Lieg ruhig, mein Geliebter. Ich bin bei dir. Es ist unwichtig, was geschehen ist, unwichtig, wo wir waren. Jetzt bin ich bei dir. Und ich werde dich nie mehr verlassen. Nie mehr.«
»Ich liebe dich, Yen.«
»Ich weiß.«
»Trotzdem«, seufzte er, »wüsste ich gern, wo wir sind.«
»Ich auch«, sagte Yennefer, leise und etwas zögerlich.
»Und das«, fragte nach einer Weile Galahad, »ist das Ende dieser Geschichte?«
»Woher denn«, widersprach Ciri und rieb einen Fuß am anderen, um den Sand abzustreifen, der ihr an Händen und Fußsohlen angetrocknet war. »Würdest du wollen, dass eine Erzählung so endet? Von wegen! Ich jedenfalls nicht!«
»Was also war weiter?«
»Was schon«, schnaubte sie. »Sie haben geheiratet.«
»Erzähle.«
»Ah, was gibt es da zu erzählen? Es gab ein lustiges Fest. Alle kamen zusammen, Rittersporn, Mutter Nenneke, Iola und Eurneid,Yarpen Zigrin, Vesemir, Eskel … Coën, Milva, Angoulême … Und meine Mistle … Ich bin selber dort gewesen, hab getrunken und gegessen. Und sie, das heißt Geralt und Yennefer, hatten später ein eigenes Haus und waren glücklich, sehr, sehr glücklich. Wie im Märchen. Verstehst du?«
»Warum weinst du, Dame vom See?«
»Ich weine überhaupt nicht. Die Augen tränen mir vom Wind. Und fertig!«
Lange schwiegen sie, schauten zu, wie der rotglühende Sonnenball die Berggipfel berührte.
»In der Tat«, brach schließlich Galahad das Schweigen, »eine gar seltsame Geschichte war das, o ja, seltsam. Wahrlich, Dame Ciri, unheimlich wie die Welt, aus der du gekommen bist.«
Ciri schniefte laut.
»Jaaa«, fuhr Galahad fort, nachdem er sich ein paarmal geräuspert hatte, von ihrem Schweigen ein wenig deprimiert. »Aber auch hier bei uns ereignen sich wundersame Abenteuer. Nehmen wir nur, was Herrn Gawain mit dem Grünen Ritter widerfahren ist. Oder meinem Oheim, dem Herrn Bors, und Herrn Tristan … Stell dir vor, Dame Ciri, Herr Bors und Herr Tristan brachen eines Tages gen Westen auf, nach Tintagil. Ihr Weg führte sie durch wilde und gefährliche Wälder. Sie ritten, ritten, und siehe, da stand eine weiße Hindin, und daneben eine Dame, schwarz gekleidet, fürwahr, ein schwärzeres Schwarz sieht man auch nicht im Nachtmahr. Und schön war die Dame, dass man eine schönere auf der ganzen Welt nicht findet, nun ja, höchstens Königin Gwinever … Jene Dame erblickte die Ritter, wie sie neben der Hindin stand, warf die Hände empor und sprach also zu ihnen …«
»Galahad.«
»Ja?«
»Sei still.«
Er hustete, räusperte sich, verstummte. Sie schwiegen beide und schauten zur Sonne. Sehr lange schwiegen sie.
»Dame vom See?«
»Ich habe dich gebeten, mich nicht so zu nennen.«
»Dame Ciri?«
»Ja.«
»Reite mit mir nach Camelot, o Dame Ciri. Du wirst sehen, König Arthur wird dir Ehre und Respekt erweisen … Ich aber … Ich werde dich immer lieben und in Ehren halten …«
»Hör auf zu knien, sofort! Oder nein. Wenn du schon einmal dort bist, reib mir die Füße. Sie sind mir schrecklich kalt geworden. Danke. Du bist lieb. Ich habe gesagt: die Füße! Die Füße hören an den Knöcheln auf!«
»Dame Ciri?«
»Ich bin die ganze Zeit hier.«
»Die Sonne neigt sich zum Untergang …«
»Stimmt.« Ciri schloss die letzten Stiefelspangen, stand auf. »Lass uns die Pferde satteln, Galahad. Gibt es in der Umgebung einen Ort, wo man übernachten kann? Ha, an deinem Gesicht sehe ich, dass du diese Gegend so wenig kennst wie ich. Aber das macht nichts, lass uns aufbrechen; selbst wenn wir unter freiem Himmel schlafen müssen, dann ein Stück weiter, im Walde. Von
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