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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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über einem Jahr. Lange her, ich dachte, das sei erledigt, und jetzt kommen Sie und fragen.
    Nun, ein Mann wie Estrella, er kann bei uns kommen und gehen, wie er will. Schön, er ist gegangen, man hat ihn gesucht, überall, nirgends gefunden. Vielleicht ist er tot – oder im Ausland. Was ist daran so sensationell?«

 
81
 
    Sensationell? Wie man es nimmt.
    Es ist sicher leicht, in dieser Stadt zu verschwinden, in diesem Land. Auch ein Roczinski verschwand trotz Polizeiüberwachung. Er nahm sich ein Ticket, das er nicht bezahlte, und flog mit einer normalen Linienmaschine über Mexico-City nach Los Angeles.
    Sensationell am Verschwinden Estrellas war zumindest der Zeitpunkt. Wenige Tage nach Roczinskis Besuch. In der Nacht vom 11. zum 12. November. Gegen halb zwölf. Halb zwölf Uhr nachts.
    Das Tor stand offen, das unscheinbare Tor in dieser unverputzten, endlosen Mauer neben den Slums von Rimac. Estrella war fort. Nachts halb zwölf.
    Lima liegt ungefähr auf dem Längengrad von New York, die Zeitzone ist die gleiche. Es war also dreiundzwanzig Uhr dreißig Eastern-Time. In Los Angeles war es – drei Zeitzonen weiter westlich – zwanzig Uhr dreißig Pacific-Time. Und um zwanzig Uhr dreißig Pacific-Time stürzte der Fernsehreporter Will Roczinski mit seinem Wagen von der Brücke des San Diego Freeway nördlich von Santa Ana und starb. Am gleichen Tag – zur gleichen Stunde? Der eine verschwindet – der andere stirbt?
    Na, schön. Manchmal gibt es eben wirklich noch seltsame Zufälle im Leben. Aber einen Zusammenhang sah ich nicht. Noch nicht.
    Zwei Tage später allerdings sah diese ganze Geschichte doch höchst merkwürdig aus.
    Wir waren zurückgeflogen nach New York, dann nach Washington zur Redaktion. Viel war nicht mehr zu tun in Sachen Roczinski, da war nichts mehr zu erwarten. Unsere Reise durch diese barbarische Welt näherte sich ihrem Ende. Gordon, den Oberst vom Pentagon, den UFO-Spezialisten, traf ich natürlich wieder bei Bradis. ›Ausnahmsweise‹ sei er mal wieder da – dieser Heuchler. Ausnahmsweise trank ich mit ihm einen Scotch – noch einen. Es gab eine Menge zu erzählen. Das heißt, Gordon hörte mir zu.
    Ich hatte nichts aufgeklärt, hatte keine Lösung anzubieten für diese Geschichte. Man konnte die Dinge so – aber auch anders deuten. Vieles blieb rätselhaft, manches unverständlich, einiges unglaubhaft.
    Skeptiker, da bin ich sicher, finden auf alle offengebliebenen Fragen ohne weiteres das, was sie selbst vernünftige und reale Erklärungen nennen. Nichts war also bewiesen!
    Auch der Tod von Roczinski bot noch genügend Stoff für Spekulationen. Wingard hatte gesagt, Roczinski sei das Opfer der Extraterristen geworden, ziemlicher Unsinn, fand ich noch immer.
    Aber war es wirklich nichts als ein Unfall? Oder war es Selbstmord?
    Hatte Roczinski versucht, sich und die Tasche mit den ›gewissen Beweisen‹ gemeinsam zu vernichten? Und warum? Auch andere scheitern hin und wieder an selbstgestellten Aufgaben.
    Nicht einmal für den Tod des Unbekannten in dieser Indiohütte hatte er Beweise. Weiß Gott, wer da wirklich gestorben war, wen die Indios tatsächlich beerdigt hatten.
    Schmerzlich, festzustellen, daß man nicht zu den Erwählten gehört. Wo ihm doch offensichtlich so sehr daran lag. Seine ›Götter‹ waren ihm nicht erschienen – oder doch? Doch noch? An diesem 11. November?
    Gordon suchte in seiner Brieftasche herum. Irgendwann in den letzten Wochen war eine Meldung auf seinem Schreibtisch gelandet. Er hatte sie fotokopiert.
    Wie alle entsprechenden Lokale in den Staaten war Bradis eine dunkle Höhle – dunkel und kalt. Das galt als gemütlich. Denn bei dieser Art der Beleuchtung sah man die Falten der älteren Damen nicht so genau. Auch die Getränkepreise waren nicht so recht zu entziffern. Ich schnappte mir Gordons Feuerzeug und studierte den Schrieb.
    Herausgegeben vom ATIC. Ein Stempel: Classified mit zwei Unterschriften. Das Schreiben war also geheim! »He, Colonel, hier steht Classified – Sie haben wohl vor nichts mehr Respekt?«
    »Nicht geheim – nur vertraulich. Verschlußsache. Außerdem nicht mehr sehr aktuell – der Bericht ist alt, schon über ein Jahr. Ich kann’s verantworten!«
    Es war die letzte Meldung über UFOs, die auf seinem Schreibtisch gelandet war.
    Ich las, und dann war der ganze Scotch plötzlich raus aus meinem Schädel, auf und davon.
    Mir war verdammt heiß geworden – trotz der Air-condition, die diesen Raum in eine verräucherte

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