Die Delegation
haben, werden sie auch Wege finden, sie an den Mann zu bringen.
24. Oktober
Wieder Daytona Beach/Florida. 8.20 Uhr früh. Der Strand ist noch leer. Bleibt auch leer um diese Jahreszeit.
Ich habe das bestimmte Gefühl, daß sie mich suchen.
Wir fahren in wenigen Minuten ab: Kap Kennedy. Mike legt noch Film ein. Er zieht prima mit, scheint fasziniert von dem, was uns bevorsteht.
Wir werden sie dort erwarten, wo es Informationen gibt für sie.
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Rolle acht:
Blick aus einem fahrenden Wagen: Palmen, Strand, das Meer. NASA-Causeway, eine Brücke über den Indian River. Hinweisschilder: ASTRONAUT-CHICKEN HERE! – APOLLO-STEAK-HOUSE – GALAXY-COFFEE-SHOP – POLARIS-MOTEL – MERCURY-INN – SATELLITE-BEACH-CLUB – CAPE-KENNEDY-SPACE-CENTER WELCOMES YOU! Vor dem Schlagbaum zum Space Center stehen zehn Streifenwagen mit dem NASA-Emblem. Polizei in blauen Helmen. Drei Dutzend Verbots- und Hinweisschilder. Besucherparkplatz für zehntausend Fahrzeuge, Museum, ausgediente Raketen und Raumkapseln, ein Busbahnhof für die Besichtigungstour.
Roczinskis Wagen wird gestoppt. Ein Wachtposten beugt sich durchs Fenster, bemerkt unwillig die laufende Kamera, kontrolliert Roczinskis Papiere. Sein Arm ist tätowiert. Eine Nummer. Hüter des heiligen Grals. Er schüttelt den Kopf, zeigt auf den Parkplatz für Besucher. Roczinski wendet. Die Kamera wird abgeschaltet.
Eine schmale Straße – hoher Zaun, Wachgebäude, Schlagbaum. Der Hintereingang. Auch dort eine Rakete, phallusförmiger Fetisch. Wieder Kontrolle. Der Schlagbaum bleibt unten. Verhandlungen zwischen Roczinski und einem Posten. Der geht schließlich hinüber zu einer Baracke. Roczinski steigt aus, folgt ihm.
Neben der Tür das Telefon. Der Posten wählt eine Nummer. Roczinski redet auf ihn ein, erklärt, aber der andere winkt ab, zeigt auf die Kamera, deutliche Geste: ›Abschalten!‹ – Er will nicht gefilmt werden. Aus dem Radio plärrt Werbung. Die Kamera kommt näher. Der Posten wendet sich ab. Sie filmt weiter, indiskret, unverschämt: das Gesicht im Profil, das NASA-Emblem an der Mütze, der Ausweis mit Paßbild und Namen in einer Plastikhülle an der Tasche des Uniformhemdes, die Hand mit dem Telefon.
Diese Hand, schließlich, legt sich flach aufs Objektiv. Schwarz. Dann wieder Roczinski. Er geht zurück zum Wagen, hebt resignierend die Hände, steigt ein, wendet, öffnet eine Tür für die Kamera. Blick zurück durch die Scheibe – die Rückfahrt. Auf dem Parkplatz hinter Postenhaus und Schlagbaum setzt sich ein Wagen in Bewegung, ein ganz gewöhnlicher grauer Ford, langsam folgt er Roczinski. Die überlange Antenne glitzert in der Sonne:
Vorbeifahrt an einer Polizeistation. Ein Streifenwagen schließt sich dem Verfolger an. Palmen, Strand, das Meer. Eine Brücke hoch über dem Indian River – dem Intracoastel-Waterway.
Hinweisschild:
CAPE-KENNEDY-SPACE-CENTER WELCOMES YOU!
Aus Roczinskis Tagebuch:
24. Oktober, abends halb acht.
Schwierigkeiten, was sind Schwierigkeiten …? Was kümmern mich jetzt noch Ignoranz und Verständnislosigkeit! Stunden noch oder Tage, und wir stehen vor einer Kopernikanischen Wende.
Jahrhundertelange Bemühungen der Philosophie sind dann so gut wie in den Wind gedacht. Die Illusion einer Tröstung, einer geistigen Sicherheit, alles löst sich auf.
Der alte Stolz der Menschheit wird aufs empfindlichste getroffen.
Unser ALLEINVERTRETUNGSANSPRUCH gegenüber der Schöpfung.
25. Oktober, morgens halb sechs.
Immer noch in Melbourne. Immer noch in diesem Motel, diesem miesen Schuppen.
Polizei war schon wieder hier, die kamen gegen halb fünf – halb fünf Uhr früh – diese Idioten. Blöde Fragerei, über unsere Arbeit, über meine Auftraggeber.
Drei Tonbänder sind jetzt weg, die lagen so einladend herum. Keine Ahnung, was drauf ist.
Mike hat das andere Material inzwischen spazierengefahren. Seit er weiß, daß unsere Arbeit unerwünscht ist, macht sie ihm noch mehr Spaß.
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Immer noch Rolle acht.
Der Rufer in der Wüste – verloren, weit entfernt – ein Punkt nur: Roczinski.
Er sitzt auf dem Boden, sein Tonbandgerät neben sich. Gelblichbrauner Sand bis zum Horizont. Eine unendliche Landschaft, durchsetzt mit leuchtendroten Felsenhügeln. Callaghean läuft mit seiner Kamera auf Roczinski zu. Die untergehende Sonne wirft lange, bizarre Schatten. Roczinski meditiert, hat die Augen geschlossen. Die Kamera umkreist ihn – einmal, zweimal. Roczinski öffnet die Augen, ein
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