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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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sieben – Franz sechs – Ferdinand fünf… « Da wurde ein Spiel gespielt, ähnlich wie Boule oder Boccia, und irgendein Herr Kustermann, von dessen Existenz ich bis zu dieser Sekunde nichts wissen konnte, hatte dabei irgendwelche sieben Punkte geworfen. Und das hatte man ausgerufen. Das war alles. Zufall?
    Aber bei Juliette war der Zufall unter strenger Kontrolle. Da wurden Versuchsreihen durchgespielt, mit Würfeln, mit Spielkarten, die einfache Symbole zeigten: Kreise, Quadrate, Wellen, Kreuze und Sterne. Die mußten erraten werden. Und wer sensitiv begabt war, erriet sie häufiger, als es der Zufall erlaubte. Wesentlich häufiger.
    Und ein Computer, ein PSI-Recorder, wie es dort hieß, rechnete unbestechlich die Erfolgskurven nach.
    Übertragung von Gedanken. From mind to mind – von Kopf zu Kopf, ohne Sprache. So hatte es Goldstone dem Reporter Roczinski erklärt.
    Juliette brauchte er es nicht zu erklären, die war vom Fach. Wir hatten uns im Hotel verabredet, in der Halle des Statler-Hilton nahe dem Weißen Haus. Die Straßen waren abgeriegelt, Polizisten standen Schulter an Schulter, ein Meer von weißen Schutzhelmen mit heruntergeklapptem Visier. Sogar die Nationalgarde war aufmarschiert. Innerhalb dieser Bannmeile um Capitol und Weißes Haus gibt es keinen Pardon.
    Das Gemetzel war heftig und kurz.
    Auf jeden dieser drei- oder vierhundert Studenten, die gegen Krieg und Greuel in Vietnam demonstrierten, kamen vier oder fünf dieser Ordnungshüter.
    Schlagstöcke schwirrten durch die Luft wie Dreschflegel. Spruchbänder wurden heruntergerissen, Demonstranten an langen Haaren über den Asphalt geschleift. In der sicheren Geborgenheit der Hotelhalle stand das »Establishment«, schaute durch die großen Fenster auf die Straße und ergötzte sich an diesem Spektakel.
    Der Sieg von ›Law and Order‹ wurde mit Befriedigung zur Kenntnis genommen und laut gefeiert. Triumph der Staatsmacht! Fabelhaft. Gute Laune breitete sich aus, gemischt mit etwas Nervenkitzel und einer Prise Humor: ›Jawohl, gebt’s ihnen, Boys, diesen Langhaarigen, feste drauf!‹ – Nixons schweigende Mehrheit fühlte sich hinter den Fenstern behaglich, sicher geschützt und schwieg keineswegs. Die Beunruhigung über einen Krieg, der dieses ganze Volk erschüttern müßte, aber nur die Jugend auf die Straße trieb, wurde mit Scotch und Gin-Tonic hinuntergespült. Wem dieses Land und seine Politik nicht paßt, der kann ja gehen! Das ist unsere Freiheit!
    Ich drehe mich um. Hinter mir stand still und nachdenklich der Herr vom anderen Stern.
    Er verstand nicht so recht, was hier vorging. Ich versuchte, es ihm zu erklären, mit einfachen Worten:
    »Die einen sind für Recht und Freiheit und Frieden! Die anderen für Recht und Freiheit und Ordnung!« Er zuckte die Schultern. Er verstand mich wohl nicht. Langsam schritt er durch die Scheibe nach draußen und verschwand im Kampfgewühl zwischen Tränengaswolken und Smog. Grüne Busse mit vergitterten Fenstern fuhren auf und wurden vollgestopft mit eingefangenen Demonstranten. Der Rest war auf der Flucht.
    Mitten über den sich leerenden Kampfplatz schritt aufrecht, alles überragend, unübersehbar – Juliette. Da gibt’s doch dieses Gemälde von Delacroix: ›Die siegreiche Revolution‹ oder so ähnlich. Ein stattliches Weib, die Brüste entblößt, die Fahne schwingend über den Barrikaden. So etwa. Sie kam in die Halle, schob eine Gruppe Japaner beiseite, die die Tür belagerte und auf das Ende des Sturmes wartete. Keiner von ihnen reichte an ihre Schulter. Sie wurde angestarrt wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Das war sie gewohnt.
    »Ça fait chaud aujourd’hui, ah? – ziemlich heiß heute, was?« Sie fiel in die Polster und bestellte Coca-Cola mit Scotch. Dann packte sie aus: Sie hatte Bücher mitgebracht, nein, nicht aus Goldstones Bibliothek; sie hatte sie gekauft, im einem kleinen Bookshop an der Connecticut Avenue. UFO-Literatur. Berichte von Allingham, Adamski, Angelucci, Fry, Menger, Renaud. Gewissermaßen Standardwerke.
    Alle diese Autoren behaupten, in Kontakt zu außerirdischen Wesen gestanden zu haben. Und dieser Kontakt wird fast immer als ›telepathisch‹ beschrieben.
    Juliette lachte. Freute sie sich?
    »Nein, ich finde das idiotisch! Vielleicht sind die Geschichten wahr – wer weiß. Ich kann solche Berichte nicht widerlegen, das ist nicht mein Job. Nur, wenn einer bluffen will, dann ist das hier die einfachste Art. Er schreibt etwa: Es war Telepathie!
    Eine

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