Die Delegation
Berechnung.«
»Ja, bei dieser Berechnung.«
»Andere kommen auf wesentlich günstigere Werte. Sind Sie Pessimist, Herr von Hoerner?«
»Nein. Nur nüchterner Rechner. Ich bin vorsichtig in meinen Prognosen, und ich spekuliere nicht gern.« Wir setzten uns in einen Diesel-Jeep, Professor von Hoerner fuhr uns persönlich durch das weitläufige Gelände des Observatoriums zu den einzelnen Giganten:
Das alte 85-Fuß-Teleskop auf seinen drei stählernen Beinen, der Veteran des Geländes aus dem Jahre 59. Das Calibration-Horn, ein 40 Meter langer Tubus, der fest montiert aus einem Krater ragt, um einmal täglich eine starke Radioquelle im Sternbild Cassiopeia zu vermessen. Der Interferometer: drei gleichartige 85-Fuß-Teleskope, die auf einer zwei Kilometer langen Trasse verschoben werden und stets das gleiche Objekt anpeilen.
Das massive, weiße Monster des 140-Fuß-Spiegels, der damals, so hatte Roczinski behauptet, auf den Sirius gerichtet war. Und schließlich eine riesige Schale aus Silberfiligran – das 300-Fuß-Transit-Teleskop.
»Das hier ist im Augenblick die größte steuerbare Antenne, die uns zur Verfügung steht. Selbst wenn wir diese Antenne an einen Sender anschließen, den wir mit immerhin Hundert-Kilowatt-Leistung ausstatten und damit Signale von 1 Kilohertz Bandbreite senden – dann darf unser Partner, bei dem wir mal eine gleichstarke oder, besser: gleichschwache Empfangsanlage annehmen, höchstens 1,24 Lichtjahre entfernt sein. Der nächste Stern, das nächstmögliche Sonnensystem ist aber dreimal so weit von uns entfernt.
Wir können natürlich annehmen, daß eine höherentwickelte Technik auch bessere Ohren hat, stärkere Empfänger, und unsere Botschaft auch auf wesentlich größere Distanz registrieren kann.
Aber bleiben wir mal bei einem gleichwertigen, gleichstarken Partner. Um mit ihm über achthundert Lichtjahre hinweg in Kontakt zu kommen, brauchen wir eine dreimal so große Antenne, einen zehnmal stärkeren Sender, wir müßten Signale auf einer Wellenlänge von 10 Zentimetern bei nur 0,1 Kilohertz Bandbreite senden.
Das ist eine Geldfrage, wie alles, aber darüber hinaus auch ein technisches Problem. Heute schaffen wir das noch nicht, in zehn Jahren vielleicht, wenn es uns wichtig erscheint. Zeit spielt bei diesem Projekt ohnehin keine Rolle, denn auf eine Antwort müßten wir ja – in diesem Fall – sechzehnhundert Jahre warten.
Wir wollen uns gleich nach der ersten Sendung im Kalender das Jahr 3600 für eine mögliche Antwort ankreuzen…«
Wir saßen im Haus von Professor von Hoerner am Fuße der Berge. Vor uns lag das weite, flache Tal. In der Ferne funkelten die Teleskope in der Abendsonne. Nirgends eine Begrenzung, kein Zaun, keine Mauer. »Wie weit geht Ihr Grundstück?«
»Ich weiß nicht, das ist nicht wichtig. Soweit ich eben Lust habe, den Rasenmäher zu schieben.«
Eine Grille zersägte die Stille, Jupiter erschien über dem Horizont, das 140-Fuß-Teleskop wurde angestrahlt, die Schale neigte sich bis dicht über den Boden, der Verstärker im Fokus wurde ausgewechselt. In den Labors liefen die Empfangsanlagen rund um die Uhr.
Wir erzählten ein wenig von unserer Geschichte. Der chinesische Wissenschaftler vor Roczinskis Kamera, das konnte Professor Su-Shu-Huang gewesen sein. Sebastian von Hoerner war mit ihm befreundet, sie hielten unregelmäßigen Kontakt. Huangs neueste Veröffentlichung lag mit handschriftlichen Grüßen auf dem Tisch.
Aber Professor Huang war schon seit langer Zeit nicht mehr in Green Bank gewesen.
Und von einem Reporter namens Roczinski hatte Professor von Hoerner hoch nie etwas gehört.
Auch nichts von irgendwelchen mysteriösen Signalen aus der Richtung Alpha-Canis-Majoris, aus der Richtung Sirius.
53
Wir fuhren nach Elkins, wohnten im gleichen Motel wie damals Roczinski und machten uns auf die Suche nach dem Fernsehtechniker Frank Nichols und seiner Reparaturwerkstatt.
Irgend etwas stimmte nicht mit dieser kleinen Stadt am Fuße der Appalachen. Sie schien uns irgendwie ungewöhnlich, unamerikanisch: Es gab hier offensichtlich keine Fernsehgeräte – zumindest sah man keine Antennen – nirgends!
Das war die Schuld von Frank Nichols. Wir fanden ihn hoch oben auf einem Berggipfel über der Stadt. Dort, im dichten Nebel, kletterte Nichols auf einem Stahlmast herum. Er hatte für die Stadt eine Sammelantenne konstruiert und versorgte nun die einzelnen Fernsehempfänger über ein eigenes Kabelsystem. Zweitausend
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