Die Delegation
weil wesentlich realer, war es jedoch, daß Missis Palm, aus welchem Grund und auf welchen Wegen auch immer, in Roczinskis Gedankengänge hineingeraten war.
Das ließ sich mit meiner laienhaften Vorstellung von Parapsychologie gerade noch vereinbaren, und auch Julie war damit zufrieden.
Die anderen hatten neben dem Coffeeshop bereits die Kamera aufgebaut und warteten. Sie sahen den rosaroten Flamingos zu, die zwischen den Mangroven der riesigen Lagune herumspazierten. Viele waren durch den Lärm beim Start der Saturnraketen im nahen Abschußgelände eingegangen. Sensible Tiere.
Wir packten die Kamera wieder ein. Missis Palm haßte das Fernsehen. Sie war auch stolz darauf, daß bisher kein Foto von ihr in der Zeitung erschienen war. Das will für Amerika etwas heißen. Weiß Gott, wie sie das durchhielt.
So zogen wir wieder ab und waren um eine etwas verwirrende Erfahrung reicher geworden.
Juliette, der fabelhafte Kumpel, war lieb und nett und blieb bis zum nächsten Vormittag sozusagen immer an der Hand. Aber sehr glücklich war sie, glaube ich, nicht. Ich hatte immer noch so eine Prise Sandelholzduft in der Nase.
Wir flogen über die Bahamas, über Haiti nach San Juan auf Puerto Rico. Das war kein Staat der USA, das sah nur so aus. Die Insel läuft unter ›Erwerbung‹, sie wurde 1898 den Spaniern abgenommen, und nun war sie, es klingt zwar nicht gut, aber so ist es nun mal, eine Kolonie, eine Kolonie der USA. »Und ein einziges, großes Bordell.« Der Plastikspielzeug-Vertreter neben mir wußte Bescheid. Und Tywell, der kanadische Farmer, hatte ja auch gesagt: Nach Puerto Rico nimmt man seine Frau nicht mit!
Vielleicht ist diese Insel der Großen Antillen für die puritanischen Amerikaner schlichtweg nur das, was Paris für unsere Großväter war: ein sündiger Traum.
Von den hunderttausend Huren des Spielzeugvertreters hatte ich keine getroffen, vermutlich bin ich da zu naiv. Ich bemerkte erst mal nur eines: Es war heiß, unerträglich heiß und schwül. Der Mittagsregen war gerade vorüber, Dampfwolken zogen über die Straßen, über das Land. Luftfeuchtigkeit neunundneunzig Komma neun Prozent, Temperatur achtunddreißig Grad.
Unser Hotel lag am Flughafen. Von der Startbahn trennten es nur Straße und Hecke.
Aber das Problem war die Klimaanlage. Es war ein gutes Hotel, das auf sich hielt. Und die Appartements, die alle direkt ins Freie führten, waren heruntergekühlt auf fünfzehn Grad – das waren dreiundzwanzig Grad Differenz. Die feuchte Tropenluft wehte mit hinein in den Raum, bildete Nebel, und bis die Koffer schließlich alle durch die Tür waren, lief das Wasser die Wände herunter, tropfte vom Spiegel, überzog Tische und Stühle und drang tief in die Bettwäsche ein. Für Nichtamerikaner gibt es nur eine Chance, Klimaanlagen zu überleben: abstellen!
Es gab tatsächlich einen Schalter.
In Washingtons Statler-Hilton mußte ich dafür den Hauselektriker kommen lassen. Der hielt mich für verrückt – und er gab nur nach, weil ich aus Bayern kam – crazy Bavaria.
Für das Arecibo Ionospheric Observatory hatten wir eine formelle Einladung der Cornell University. Es wird als eines der vielen zusätzlichen Weltwunder gepriesen. An der Nordküste Puerto Ricos liegen zwischen spitzen Bergkegeln tiefe, kraterförmige Waldtäler. In eine dieser Mulden ist das Drahtnetz der Antenne eingespannt. Durchmesser der Halbkugel: eintausend Fuß – dreihundertdreißig Meter. Drei schlanke Betontürme stehen auf den Bergen. Sie halten an Stahlseilen – zweihundertachtzig Meter über dem Antennenboden – den Fokus, die Verstärkeranlage. Eine kleine Seilbahn führt hinauf, ein Gitterkasten, achtzig mal hundertachtzig Zentimeter. Darauf komme ich zurück.
Frank B. Dyce, Radioastronom, zweiunddreißig Jahre alt, freute sich über unseren Besuch. Es war, unter anderem, sein Job, sich über willkommene Besucher zu freuen, seltsame Telegramme zu beantworten – wir erinnern uns an das von Roczinski. Er war überhaupt für alle Fragen da: »Mr. Dyce, haben Sie jemals hier in Arecibo Signale aus dem Kosmos empfangen, die von intelligenten Wesen stammen könnten?«
»Leider nein. Es sah zwar manchmal so aus, aber dann fanden wir immer eine andere, oft nicht weniger spektakuläre Erklärung. Zum Beispiel entdeckte man bei dieser Gelegenheit die Pulsare.«
Er hatte eine Kurve mit Impulsen auf dem Schreibtisch liegen. Alle drei Komma zwo Sekunden erreichte die Kurve ein Maximum, denn alle
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