Die Delegation
Himmelskörper vielleicht zehn- oder zwanzig- oder dreißigtausend Kilometer von dieser Erbsen-Sonne entfernt.«
»Mit Fusionsraketen?« Warum soll ich nicht auch einen Vorschlag machen dürfen?
»Mit Triebwerken, die die Verschmelzung von Wasserstoffatomen in Heliumatome, wie sie auf der Sonne und auch in der Wasserstoffbombe vorkommt, als Energiequelle ausnutzen, kann man schöne Dinge tun – leider ist das noch Zukunftsmusik.
Nur – um zu einem zwölf Lichtjahre entfernten Stern zu reisen, und man muß ja mit annähernder Lichtgeschwindigkeit fliegen, um innerhalb eines Menschenlebens wieder zurückzukehren, braucht man für ein kleines Raumschiff mit zehn Tonnen Nutzlast – viermal sechzehn Milliarden Tonnen Wasserstoff! Zweimal für Start und Landung und dasselbe noch mal für die Rückreise. Und das bei der effektivsten Energieausnutzung, die beim gegenwärtigen Stand unserer Technik denkbar ist.«
»Antimaterie, Antigravitation, Tachionen…« Schließlich verstand ich auch etwas von Zukunftsmusik. »Du liest gerne Science-fiction-Romane, ja? – Antimaterie, bei der die gesamte Masse nach der Einsteinschen Formel E=mc 2 zerstrahlt, wenn sie mit der Materie unserer Welt, unseres Planeten zusammentrifft, ergibt natürlich eine gigantische Ausbeute. Nur glaube ich nicht, daß Antimaterie je in größeren Mengen hergestellt und gebändigt werden kann. Antigravitation, also Aufhebung der Schwerkraft, ist eine ›phantastische‹ Lösung, besteht also im Augenblick nur in der Phantasie, und Tachionen und andere überlichtschnelle Teilchen aus dem subatomaren Bereich gibt es bisher nur als mathematische Möglichkeit. In der Natur wurden sie noch nicht beobachtet. Vielleicht sind sie dafür zu schnell, schneller als das Licht, das bisher immer die oberste Grenze jeder möglichen Geschwindigkeit darstellte – was aber inzwischen von einigen progressiven Geistern angezweifelt wird – trotz Einstein!
Wir sind von den Grenzen menschlicher Erkenntnis noch weit entfernt. Deshalb halte ich es für fahrlässig, bereits die absoluten Grenzen der Natur zu diskutieren. Mein ehemaliger Physiklehrer hielt Überschallflüge für unrealisierbar. Und noch auf der Universität war unser Professor sicher, daß Raketen niemals die Fluchtgeschwindigkeit zum Verlassen der irdischen Schwerkraft erreichen könnten. Er lebt noch. Er wird sich wundern, was wir trotz seiner Prognosen alles geschafft haben. Und was wir noch alles schaffen werden. Vielleicht wird es uns eines Tages möglich sein, während des interstellaren Fluges Energie nachzutanken, wie es von einigen Wissenschaftlern bereits vorgeschlagen und berechnet wurde. Zum Beispiel: Schwerkraft auftanken durch Umfliegen von Doppelsternen, Wasserstoffatome als Brennstoff einfangen durch ein riesiges elektromagnetisches. Feld. Denn der ›leere Raum‹ ist keineswegs leer – er ist voller Strahlung und Materie.
Aber, wie gesagt, alles Zukunftsmusik und ein bißchen Science-fiction. Unter Raumfahrt dagegen verstehen wir etwas sehr Reales, sehr Aufregendes – aber vor allem etwas Sinnvolles…!«
»Und das scheint die interstellare Raumfahrt nicht zu sein?« Heinz Traubert schüttelte den Kopf und setzte die erkaltete Erbsensonne in den Aschenbecher.
»Nein, noch nicht. Leider noch nicht. Und sie ist vor allem erst in zweiter Linie ein für uns fast unlösbares physikalisches Problem.
Erst müssen biologische Probleme gelöst werden. Eine Lebensdauer von siebzig bis achtzig Erdenjahren für eine Raumschiff-Besatzung ist natürlich undenkbar. Ob Einfrieren und rechtzeitiges Wiederauftauen vor dem Ziel die Lösung ist, um die jahrhundertelangen Reisezeiten zu überleben, muß abgewartet werden.«
Ich hatte noch einen Trumpf; es war der Augenblick gekommen, ihn auszuspielen: »Und was ist mit der Zeitdilatation?«
Nach der Relativitätstheorie, der Physik der hohen Geschwindigkeiten, verändert sich die Zeit. Die Uhr in einem Raumschiff geht wesentlich langsamer als auf unserer Erde! Das war mir schon vor McCraights Lektion geläufig. »Die Zeit dehnt sich, das ist richtig, aber erst, wenn die Lichtgeschwindigkeit annähernd erreicht ist. Vorher macht sich dieser Effekt kaum bemerkbar. Aber nehmen wir an, wir hätten das unlösbare Energieproblem irgendwie doch bewältigt. Wir fliegen los, beschleunigen mit 1 g, das entspricht der Fallgeschwindigkeit auf unserer Erde, erreichen nach einem Jahr die Lichtgeschwindigkeit, umfliegen nach dreißig Jahren tatsächlich den
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