Die Depressionsfalle
wissenschaftlicher wie allgemein menschlicher Perspektive lässt sich annehmen, dass das Verständnis der Depression für das Verständnis des menschlichen Wachstums, der menschlichen Entwicklung und der Conditio humana generell, einen wichtigen Beitrag leistet. Eine umfassende Ausstellung zum Thema âMelancholieâ, die vor einigen Jahren in Paris und Berlin zu sehen war, hat diesen gern verdrängten Aspekt in das Bewusstsein gehoben.
Empowerment bedeutet Wissenszuwachs: Wissen ist Macht.
Eine der häufigsten Krankheiten
2011 schuf der dänische Regisseur Lars von Trier seinen viel diskutierten Film
Melancholia
. In diesem Streifen wird eine Welt gezeigt, in der das Prinzip Melancholie als mächtige âkosmischeâ Bedrohung imponiert, der man sich nicht entziehen kann. Der Planet âMelancholieâ überrollt am Ende alle: die, die sich schon längst in den Dienst seiner Macht gestellt haben und das Ende der Welt sehnsüchtig erwarten, wie auch jene, die seine Macht zu bekämpfen versuchen, die ihn verstehen wollen und ihn beobachten und erforschen, alt und jung, Mann und Frau. Sie alle sitzen in einer Falle, ein Entweichen ist unmöglich, da die Welt sich selbst auslöscht und es dem Planeten Melancholie unmöglich ist, an der Erde vorbeizuziehen, da er von der Schwerkraft der Erde angezogen wird.
Die Beschreibung des psychischen Zustandes der Weltbevölkerung und Voraussagen über die Entwicklung der affektiven Erkrankungen scheinen diese Sicht zu bestätigen: Seit den frühen 70er Jahren werden laufend Berichte über die zunehmende Bedeutung affektiverErkrankungen erstellt. 1970 eröffnete Heinz Lehmann in einem Vortrag in New York den Reigen. Er sprach davon, dass drei Prozent der Weltbevölkerung, entsprechend 100 Millionen Menschen, unter Depressionen leiden. Damit wurde der Grundstein dafür gelegt, die Depression als jene Erkrankung zu bezeichnen, die weltweit die gröÃte Verbreitung aufweist. Folgerichtig wurde sie in dieser Periode â wohl auch unter dem Eindruck der Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten â zu einem zentralen kulturellen Thema.
Heute verlauten offizielle Stellen, dass 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung an affektiven Erkrankungen leiden, zu denen ja die Depressionen zählen, 14 bis 25 Prozent an Angsterkrankungen, 14 bis 25 Prozent an Anpassungsstörungen, 20 bis 50 Prozent an einem Burn-out-Syndrom und 15 bis 27 Prozent an einer Suchterkrankung. Nach dieser Statistik leiden 33,4 Millionen, also ca. 7,5 Prozent der Europäer, an einer schweren depressiven Erkrankung und haben innerhalb eines Jahres mindestens 6 Prozent aller Menschen mit depressiven Phasen zu kämpfen. Jeder Siebte leidet im Laufe des Lebens an schweren Stimmungsstörungen. Jedes Jahr erleiden ca. 7 Prozent der Bevölkerung eine schwere Depression. Rechnet man Angstzustände und leichtere Formen der Depression hinzu, erhöht sich die Zahl auf ca. 25 Prozent der europäischen Bevölkerung. International wurde die beunruhigende Beobachtung gemacht, dass in zunehmendem MaÃe junge Menschen an einer Depression erkranken. 1992 erschien in der Dezemberausgabe des
JAMA
(der Zeitschrift der amerikanischen medizinischen Gesellschaft) ein Ãberblick über die Entwicklung der Verbreitung der Depression in vielen Regionen. Es stellte sich heraus, dass in den USA die nach 1955 Geborenen im Vergleich zur Generation ihrer GroÃeltern dreimal so anfällig dafür waren, an einer Depression zu erkranken. Dieser Trend war nicht auf die USA beschränkt, sondern auch in den anderen untersuchten Regionen zu beobachten. Für Europa nahmen an der Studie München, Paris und Florenz teil. Der Trend hält auch an. Es ist noch nicht lange her, dass in Deutschland die epidemiologische Forschung diese Entwicklung bestätigte. In den USA nimmt man an, dass vier Prozent der Teenager an einer Major Depression erkranken und etwa 90 Prozent der Erkrankungen aneiner bipolaren Störung bereits vor dem 20. Lebensjahr einsetzen. Mädchen gelten als anfälliger als Burschen.
Selbsttötung ist die dritthäufigste Todesursache in der Adoleszenz. Es wird angenommen, dass etwa die Hälfte der Selbstmordhandlungen auf ein depressives Geschehen zurückzuführen ist. Gesundheitsökonomisch machen neuropsychiatrische Störungen 19,5 Prozent der Krankheitslast in der europäischen Region aus, innerhalb der
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