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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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Brand, Mord, Gefängnis und dergleichen früh verarmtes Land«, das durch seinen Bischof, die Kirche und den Adel weiter ausgeplündert wird. Da ersteht den Armen und Ausgebeuteten plötzlich ein Prophet. Georg Widmann (1486–1560) berichtet in seiner Chronika:
    »Anno domini 1476 hat sich im Dorf Niklashausen, so in der Grafschaft Wertheim am Tauberfluß liegt, ein Hirt und Paukenschläger erhoben und heftig wider die Obrigkeit, Klerisei, auch spitze Schuh, ausgeschnittene Koller und lange Haare gepredigt, auch daß Wasser, Weid, Holz sollten gemein sein, daß kein Zoll und kein Geleitgeld gegeben werde, und wäre Deutschland in großer Sund und Uebermut. Wo sie nit Buße täten und davon abstünden, würde Gott in kurzem Deutschland untergehen lassen. Solches hätte die Mutter Gottes in einer Samstagnacht, als er das Vieh auf dem Felde gehütet, in großem Lichterglanz erscheinend, ihm geoffenbart und zu predigen befohlen.« In der Kirche »Unserer lieben Frauen« zu Niklashausen verkündet dieser Hirte und Pauker Hans Böheim, den das Volk das Pfeiferhänslein nennt, ein kommunistisches Gottesreich auf Erden. Er fordert:

    Die Wiederherstellung des alten Marktrechts,
    die Einziehung aller Güter der Adeligen und Geistlichen zugunsten der Gemeinde;
    alle sich widersetzenden Pfaffen totzuschlagen;
    und die Arbeit der Fürsten und Herren um Taglohn.

    Das Volk strömt in Scharen nach Niklashausen, um die Predigt des jungen Rebellen zu hören. Es zieht vom Odenwald, vom Main, von Neckar und Jagst, von Bayern, Schwaben und vom Rhein herbei, um »Unserer Frauen Botschaft« zu erfahren.
    An den Sonntagen sammeln sich um den Propheten 40000 und mehr Menschen. Bald bildet sich um ihn eine revolutionäre Sekte. Die Wundersüchtigen reißen ihm förmlich die Kleider vom Leibe. Aber das Pfeiferhänslein schreitet von der Predigt zur Aktion. Zwei Ritter, Kunz von Thunfeld und sein Sohn, hangen der neuen Lehre an und sind als militärische Führer des Aufstands ausersehen. Als dem Pfeiferhänslein die Zeit reif scheint, verkündet er am Ende seiner Predigt am Sonntag vor St. Kilian:
    »Und nun gehet heim und erwäget, was euch die allerheiligste Mutter Gottes verkündet hat; und lasset am nächsten Samstag Weiber und Kinder und Greise daheim bleiben, aber ihr, ihr Männer, kommet wieder her nach Niklashausen auf St. Margarethentag und bringt mit eure Brüder und Freunde, soviel ihrer sein mögen. Kommt aber nicht mit dem Pilgerstab, sondern angetan mit Wehr und Waffen, in der einen Hand die Wallkerze, in der andern Schwert und Spieß oder Hellebarde; und die Heilige Jungfrau wird euch alsdann verkünden, was ihr Wille ist, daß ihr tun sollt.«
    Über den Fortgang der Ereignisse berichtet Widmann in seiner Chronika:
    »Da solches Bischof Rudolf zu Würzburg, aus dem Geschlechte von Scherenberg, vernommen, wo man hinaus wollte, wie die aufrührischen Bauern, mit ihrem Evangelio gesinnet, wollte er solchen Samstag nit abwarten, bestimmte etliche Reiter, welche zu Niklashausen diesen Paukenschläger samt etlichen seiner fürnehmsten Ratgeber vor solchem Samstag verhaften und zu Würzburg auf Unserer Frauen Berg gefangen halten sollten. Als nun am angekündigten Samstag viel Volk gen Niklashausen kam und vernahm, daß der Paukenschläger, den sie ›Unserer Frauen Botschafter‹ nannten, zu Würzburg im Turm lag, hat sich das ganze Volk zu Niklashausen mit Waffen, Stangen, Wandelkerzen und Fahnen – was jeder in seine Hand bekam – nach Würzburg aufgemacht, den Bischof zu bitten, daß er ›Unserer Frauen Botschaften ledig gebe.
    Als aber die Reisigen dieses tobende Volk versuchten zu beruhigen, ist das Volk mit Stangen und was jeder an Waffen gehabt unter die Reisigen gelaufen, hat sich unterstanden, sie zu Schaden zu bringen, und sie Pfaffenknecht und Ketzer gescholten. Das hat die Reisigen zur Ungeduld bewogen, und sie haben ihrer viel mit blutigen Köpfen abgewiesen. Als nun das Volk vor Unsrer Frauen Berg gekommen, hat Bischof Rudolf gewollt, daß man mit großen Büchsen unter sie schießen solle. Seine Rät aber, so ein Mitleid mit diesem armen Völkchen hatten, haben veranlaßt, daß die Büchsen ohne Schaden über sie hinweg gerichtet worden sind. Darauf ist das Volk noch halsstarriger worden und hat gesagt, Unsre Frau beschütze sie, man könne ihnen nichts tun. Das verursachte, daß die Würzburgischen Reisigen unter sie gerannt sind, etliche erstochen und verwundet haben, damit sie sähen, was man ihnen tun könne.

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