Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann
dass dir nichts passiert.«
Jannis war entsetzt. »Bist du wahnsinnig? Du willst Schliemann alles erzählen? Wie stellst du dir das vor? Ungefähr so: ...« Mit albern verstellter Stimme begann er: » Lieber Kyrie Schliemann, ganz zufällig waren mein Bruder und ich genau in dem Moment an genau der Stelle, an der zwei Unbekannte unendlich viel Gold aus dem Boden geholt haben. Nein, tut uns leid, mehr wissen wir auch nicht. Wir haben die Männer zwar gesehen, aber leider nicht erkannt. Helfen können wir Ihnen also nicht. Ach ja, und umbringen wollen sie meinen Bruder auch noch ... Bitte, bitte, nicht böse sein, wir tun das auch nie wieder ...« Mit unverstellter Stimme fuhr er fort: »Ungefähr so, ja? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass Schliemann uns solch eine Geschichte abnimmt und uns dafür auch noch eine Belohnung zahlt? Du machst damit alles nur noch schlimmer, Vater und wir sind dann augenblicklich unseren Job hier los und eine Anzeige bei der Polizei in Kumkaleh ist uns sicher ... Von der Schande ganz zu schweigen. Und daran, dass ich dann erst richtig in Gefahr schwebe, denkst du natürlich nicht, war ja klar!« Er holte kurz Luft, um fortzufahren: »Nein, lass uns erst jemandem etwas sagen, wenn wir den Fall gelöst haben ...!«
Nikos zog ärgerlich seinen Arm aus der Umklammerung des Bruders und äffte dessen Stimme höhnisch nach:» Wenn wir den Fall gelöst haben? Spiel dich bloß nicht so auf. Wofür hältst du dich eigentlich, du Angeber? Kommst dir wohl besonders wichtig vor, weil du angeblich umgebracht werden sollst, ja? Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass sich deinetwegen irgendjemand die Finger schmutzig machen und zum Mörder werden wird. So wichtig bist du nämlich nicht! Aber weißt du was? Eigentlich ist das Gold bei den Männern viel besser aufgehoben als bei Schliemann. Das sind bestimmt ganz arme Würstchen, die sich mit dem Geld ihren Lebensunterhalt verdienen, während dieser Schliemann immer reicher wird. Der packt alles, was er findet, heimlich ein und lässt es irgendwohin bringen, in andere Länder, nach Athen oder sogar bis nach Deutschland. Genau das erzählt man sich über ihn, das weißt du genau. Nur die alten, hässlichen Mauern, die lässt er stehen. Und unser Berg ist inzwischen so zugerichtet wie das Gebiss eines Greises, durchlöchert und kaputt. Als Weideland sind die Hügel schon ewig nicht mehr zu gebrauchen. Und auch nicht mehr wie früher zum Wäschetrocknen. Unzählige Schafe sind schon kläglich verendet, weil sie sich beim Sturz in die Gräben den Hals gebrochen haben. Aber darum kümmert sich dieser Schliemann nicht.«
Jannis wollte widersprechen, doch fiel ihm nichts ein, was er dazu hätte sagen sollen.
Nikos sah ihn herausfordernd an: »Und was ist mit uns? Was haben wir davon? Sag mir das! Von dem Gold und all den anderen schönen Dingen sehen wir nie etwas wieder.Dabei gehören all die Schätze, die der Boden hergibt, doch wohl uns Griechen hier in der Türkei und nicht in irgendein anderes Land. Aber wir können uns nichts davon kaufen. Frag dich doch mal selbst: Ist nicht vielleicht Schliemann der eigentliche Dieb?«
Das reichte Jannis nun aber doch entschieden! Wutentbrannt und mit allem Mut, den er aufbringen konnte, hob er die Hand und fast sah es so aus, als wollte er seinem großen Bruder eine schwungvolle Ohrfeige verpassen.
»Bist du so dumm oder tust du nur so?«, raunte er ihm zu. »Was die beiden Männer getan haben, ist ein Verbrechen. Hast du überhaupt eine Ahnung, was diese Idioten mit dem Goldschmuck machen werden? Einschmelzen werden sie ihn, darauf kannst du Gift nehmen. All die kostbaren Gegenstände werden schon bald nicht mehr da sein!« Und leise fügte er hinzu: »Und ich vielleicht auch nicht ...«
»Oh, mir kommen gleich die Tränen«, erwiderte Nikos und blickte ihm verächtlich grinsend ins Gesicht.
In der Zwischenzeit hatten sie das Grabungsgelände erreicht und Nikos eilte dorthin, wo das Arbeitsgerät für den Tag verteilt wurde, die Schubkarren, Hacken und Schaufeln. Jannis erklomm derweil den höchsten Punkt des Hügels. Von hier aus konnte er das gesamte Gelände übersehen. Er starrte nachdenklich vor sich hin. Wie furchtbar kraftlos er sich plötzlich fühlte! In der Magengegend spürte er einen dicken, zitternden Klumpen. So also fühlte sich Angst an, richtige Angst, Todesangst. Konnte es schlimmer kommen?Er war nicht nur ein nachgewiesener Hasenfuß, der sich bei jeder Gelegenheit vor Angst fast in die
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