Die Donovans 3: Das geheime Amulett
Eine völlig normale Reaktion auf eine schöne Frau, also eine durchaus akzeptable Erklärung. Denn schön war sie unbestreitbar, auf eine ruhige, klassische Art – wobei man seine heftige Reaktion auf sie wohl als das genaue Gegenteil bezeichnen musste. Und das verabscheute er. Er hatte weder Zeit noch Lust, sich mit Reaktionen auf gleich welche Frau zu beschäftigen.
Da war Jessie, an die er denken musste.
Er griff in die Tasche, zog ein Zigarettenpäckchen hervor und steckte sich eine Zigarette an, sich kaum der Tatsache bewusst, dass er die ganze Zeit zu der Rosenhecke hinübersah.
Anastasia also. Der Name passte zu ihr. Wunderbar altmodisch, elegant, ungewöhnlich.
„Daddy!“
Boone zuckte zusammen, wie ein Teenager, den der Direktor auf der Jungentoilette auf frischer Tat beim Rauchen ertappt hatte. Er räusperte sich und lächelte seine streng dreinblickende Tochter schief an.
„Jetzt stell dich nicht gleich so an, Jess. Ich rauche doch immerhin nur noch ein halbes Päckchen pro Tag.“
Sie verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. „Die sind schlecht für dich. Die machen deine Lungen schwarz.“
„Ich weiß.“ Er trat die Zigarette aus, ohne noch einen letzten Zug getan zu haben. Unter diesen weisen jungen Augen war ihm das einfach nicht möglich. „Ich höre ja auf, ganz bestimmt.“
Jessie lächelte – eines von diesen erschreckend wissenden „Na-klar-doch“-Lächeln –, und er steckte die Hände in die Hosentaschen und imitierte James Cagney. „Nicht doch, Sie werden mich doch nicht wegen eines einzigen Zugs in Einzelhaft stecken, oder?“
Sie hatte ihm längst vergeben, und kichernd kam sie zu ihm, um ihn zu umarmen. „Du bist albern, Daddy. Damit du’s nur weißt.“
„Stimmt.“ Er stemmte sie an den Ellbogen hoch und gab ihr einen herzhaften Kuss. „Und du bist eigentlich ziemlich klein.“
„Bald werde ich genauso groß sein wie du.“ Sie schlang die Beine um seine Hüften und ließ sich hintenüberfallen, bis ihr Haar fast den Boden berührte. Das war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen.
„Keine Chance.“ Er hielt sie sicher und fest und schlenkerte sie ein wenig hin und her. „Ich werde immer größer sein als du.“ Er zog sie wieder hoch. „Und klüger und stärker.“ Mit seinen Bartstoppeln rieb er spielerisch über ihre Wange, bis sie vor Vergnügen jauchzte und atemlos lachte. „Und ich werde auch immer besser aussehen.“
„Und kitzliger sein!“, rief sie triumphierend und steckte ihre Finger in seine Seiten.
In diesem Punkt hatte sie auf jeden Fall recht. Er fiel mit ihr auf die Bank.
„Okay, okay. Ich gebe auf!“ Er holte tief Atem und zog sie fest an sich heran. „Du wirst immer mehr Tricks auf Lager haben.“
Mit rosigen Wangen und leuchtenden Augen hüpfte sie auf seinem Schoß herum. „Unser neues Haus gefällt mir.“
„Wirklich?“ Er strich mit der Hand über ihren Kopf und genoss, wie immer, das seidige Gefühl an seiner Handfläche. „Mir auch.“
„Können wir nach dem Dinner an den Strand gehen und Robben suchen?“
„Klar.“
„Kann Daisy mitkommen?“
„Sicher.“ Da er bereits ausreichend Erfahrung mit Pfützen auf dem Teppich und zerkauten Socken gemacht hatte, sah er sich argwöhnisch um. „Wo ist Daisy eigentlich in diesem Moment?“
„Sie macht ein Nickerchen.“ Jessie legte den Kopf an die Schulter des Vaters. „Sie war sehr müde.“
„Kann ich mir denken. Es war ja auch ein anstrengender Tag.“ Lächelnd küsste er Jessie aufs Haar, hörte sie gähnen und spürte, wie sie auf seinem Schoß schwerer wurde.
„Es war mein erster Tag. Heute habe ich Ana getroffen.“ Weil ihre Lider so schwer waren, schloss sie sie einfach, eingelullt durch den rhythmischen Herzschlag ihres Vaters. „Sie ist nett. Sie hat gesagt, sie zeigt mir, wie man Blumen pflanzt.“
„Hm.“
„Sie kennt alle Blumennamen.“ Jessie gähnte noch einmal, und als sie wieder sprach, klang ihre Stimme bereits schläfrig. „Daisy hat ihr übers ganze Gesicht geleckt, und sie hat nicht geschimpft, nur gelacht. Es hat sich hübsch angehört. Wie das Lachen einer Fee“, murmelte sie und war schon eingeschlafen.
Boone saß still da, hielt Jessie fest und sicher in seinen Armen und lächelte vor sich hin. Die Vorstellungskraft seiner Tochter. Er bildete sich gerne ein, dass sie das von ihm hatte.
Rastlos, dachte Ana, während sie in der Dämmerung über den felsigen Strand wanderte. Sie konnte einfach nicht im Haus bleiben, sich
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