Die Dornenvögel
für einen Politiker! >Guten Abend, Mr. Sowieso! Wie schön, Sie wiederzusehen, Mrs. Wie-heißen-Sie-doch-noch.< Es ist mir heute abend nicht entgangen, daß du dich immer gerade räuspern mußtest, wenn eine Anrede fällig war.« Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Im übrigen, was die Ehefrauen betrifft - viele Männer mit abscheulichen Frauen haben Erfolg gehabt, ebenso viele andere, deren Frauen schön und charmant waren, hingegen nicht. Im Grunde spielt das keine Rolle, weil es entscheidend darauf ankommt, ob der betreffende Mann Format hat. Es gibt wenige Männer, die ausschließlich aus Gründen des erstrebten Erfolges heiraten.« Noch immer besaß er die Fähigkeit, ihr gehörig den Kopf zurechtzusetzen. Sie fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg, und um ihr Gesicht zu verbergen, machte sie rasch einen spöttischen Kotau und setzte sich dann auf den Teppich. »Ach, steh doch auf, Justine!« Natürlich mußte sie ihm trotzen. Und so blieb sie im Schneidersitz hocken und streckte die Hand zur Seite, um Natascha zu streicheln, die neben dem Kamin lag. Nach dem Tod von Kardinal di Contini-Verchese hatte Rain die schon recht altersschwache Katze zu sich genommen und schien sehr an ihr zu hängen.
»Habe ich dir schon gesagt, daß ich endgültig nach Drogheda zurückkehre?« fragte sie unvermittelt.
Er nahm eine Zigarette aus dem Zigarettenetui. Seine großen Hände zitterten nicht. Jede Bewegung wirkte genauso ruhig und bestimmt wie sonst. »Du weißt sehr gut, daß du mir das nicht gesagt hast, Justine.« »Dann sag’ ich’s dir jetzt.« »Wann bist du zu diesem Entschluß gelangt?«
»Vor fünf Tagen. Ende dieser Woche hoffe ich abzureisen. Es kann mir gar nicht schnell genug gehen.« »Verstehe.«
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
»Was bleibt mir zu sagen, außer: Ich wünsche dir für die Zukunft alles Glück, Justine?« Er wirkte so gelassen, daß es ihr unwillkürlich einen Stich gab.
»Oh, danke!« sagte sie hochmütig. »Bist du nicht froh, daß ich dir nicht mehr lästig sein werde?« »Du bist mir nicht lästig, Justine«, erwiderte er. Sie ließ Natascha los, griff zum Schürhaken und begann mit eigentümlicher, wie stoßweiser Energie im Kamin herumzustochern. In den außen völlig verkohlt wirkenden Holzscheiten war noch Feuer, und Funken begannen zu sprühen. Plötzlich jedoch war es damit zu Ende. Das Feuer erlosch. »Es muß ein Zerstörungstrieb sein, der uns so etwas tun läßt«, sagte sie. »Wenn wir meinen, ein Feuer zu schüren, so führen wir dadurch nur um so schneller sein Ende herbei. Aber was für ein schönes Ende, Rain, nicht wahr?« Ihre Feuer-Philosophie schien ihn nicht weiter zu interessieren, denn er sagte nur: »Ende dieser Woche? Du hast es ja wirklich sehr eilig.« »Warum soll ich es hinausschieben?« »Und deine Karriere?«
»Ich habe meine Karriere satt. Außerdem - was würde nach Lady Macbeth noch lohnen?«
»Oh, werde doch endlich erwachsen, Justine! Für dieses Schulmädchen-Pathos könnte ich dich wahrhaftig übers Knie legen! Warum sagst du nicht einfach, das Theater reizt dich nicht mehr und du hast Heimweh?«
»Schon gut, schon gut, schon gut! Ich verstehe eben nicht, mich so auszudrücken, wie sich das gehört - nach deiner Meinung jedenfalls! Bitte vielmals um Verzeihung!« Sie war aufgesprungen. »Wo sind meine Schuhe? Und, verdammt, ich will meinen Mantel!«
Fritz brachte beides und fuhr sie dann nach Hause. Rainer entschuldigte sich: Er habe noch zu tun, könne sie daher nicht begleiten. Aber nachdem sie das Haus verlassen hatte, saß er wieder beim Kamin, in dem neue Holzscheite prasselten. Auf dem Schoß hielt er Natascha, und sehr beschäftigt wirkte er kaum.
»Hoffentlich«, sagte Meggie zu ihrer Mutter, »haben wir das Richtige getan.«
Fee musterte sie. Mit ihren schwachen Augen nahm sie vieles nur noch sehr undeutlich wahr. Sie nickte nachdrücklich. »Das haben wir, davon bin ich überzeugt. Justine ist nun einmal unfähig, eine solche Entscheidung zu treffen. Also blieb uns gar keine Wahl. Wir mußten es an ihrer Stelle tun.«
»Nun, jedenfalls gefällt es mir nicht sehr, den lieben Gott zu spielen. Ich glaube zu wissen, was sie eigentlich will, aber wenn sie hier wäre und ich könnte sie direkt fragen, würde sie mit Sicherheit partout das Gegenteil behaupten.«
»Ja, ja, der Cleary-Stolz«, sagte Fee mit einem leisen Lächeln. »So ein Erbteil wird wohl keiner los.«
»Na, es ist wohl nicht nur
Weitere Kostenlose Bücher