Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
verstört gehustet, Cyril von sich geschoben und ihr einen ebenso strengen Blick zugeworfen, wie jenen, mit dem sie gerade den Herzog bedacht hatte.
„Mein Kind, ich freue mich dich zu sehen“, hatte sie ihre Tochter gescholten, „aber wir sind von hohem Range und sollten doch niemals unsere Contenance verlieren.“
Cyril war das damals egal gewesen, so sehr überwog ihre Freude wieder ein bekanntes und ihr g ewogenes Gesicht zu sehen.
Mittlerweile war ihre Mutter die einzige Person, die ihre Freude, an diesem Hof der Leichtigkeit und Freude Gast zu sein, etwas trübte. Alle jungen Männer, die sie bisher getroffen hatte, mit denen sie nächtelang getanzt hatte, die ihr liebkosende Worte ins Ohr geflüstert hatten und alle netten D amen, die sich kichernd mit ihr über den neusten Tratsch unterhalten hatten und die ihren nordischen Akzent als ungemein süß und liebenswert erachteten – in der Hinsicht nicht anders als die jungen Adligen – hatten ihre Schönheit hervorgehoben, hatten ihr Komplimente gemacht und sie wie eine Königin behandelt. Der Hof selbst vermittelte eine Leichtigkeit, die die trüben Mauern von Mal Kallin, wo sie ein ums andere Mal unlustig in ihrer Suppe gestochert hatte, während Cathylls Eltern vor sich hin schwiegen, in allem überstrahlte.
Während die Bediensteten den nächsten Gang, einen Truthahn in lecker duftender Wermutsoße, servierten, schaute Cyril an das untere Ende des Tisches. Junge Edelleute zwinkerten ihr zu, unter anderem auch Hugues de Montplaissiere, welcher sie an jenem seltsamen Morgen vom Hafen von Dal’hairn abgeholt hatte.
Ihre Mutter hatte sie gleich am ersten Abend vor den jungen Leuten von Aquist gewarnt, die nur das Vergnügen suchten und vielleicht keine guten Absichten hegten und tatsächlich hatte Cyril in ihrem Umgang mit ihrer neuen Umgebung zunächst Vorsicht walten lassen. Aber man brauchte nicht viel Phantasie, um zu sehen, dass sich Lady Eleanor selbst den fleischlichen Freuden mit dem Herzog hingab. Und so hatte auch Cyril langsam aber stetig mit dem Eindruck, den sie bekanntermaßen auf Männer machte, experimentiert, was immer damit endete, dass sie mit einem Triumphgefühl in ihrer Kammer einschlief, da sie etwas zu haben schien, was andere begehrten – allerdings nur so lange, das wusste sie, bis sie es bekamen.
„Lady Cyril, singt uns noch eines Eurer ankilanischen Lieder.“ Das war Gregor Flajet, einer der höfischen Ritter, die keinen Titel trugen und sich so unterwürfigst verhielten, um vom höheren Adel anerkannt zu werden. Cyril schien es, als habe Gregor, der sie offensichtlich aufs Tiefste verehrte, keine andere Methode ein Mädchen auf sich aufmerksam zu machen, als sie um einen Gesang zu bitten. Er war langweilig und geradezu „enervierend“, wie man hier gerne sagte. Doch als Cyril auf die drohenden Gesichtszüge ihrer Mutter sah, überkam sie plötzlich der unwiderstehliche Drang, dem Ansinnen Gregors nachzukommen.
Sie stand auf, machte einen Knicks und klatschte ihre Hände über ihrem Kopf zusammen, wohl wissend, dass ihre Figur in ihrem neuen, prachtvollen Ballkleid so noch deutlicher für die gierigen Blicke der Herren zur Geltung kam. Dann trällerte sie mit hoher Stimme:
„Ein Mädchen, das im Morgentau
Auf einer Wiese sitzt,
ein Bursche, der zu Rosse,
lacht sie an verschmitzt.
Oh, Weib, ich pflücke Euch
Der schönsten Blumen Strauß.
So schön wie ihr benetzt
Von des Morgen Taus.
Die Dame sprach: Oh, guter Mann,
nehmt Rücksicht auf das Grün
und schneidet nicht mit Eurem Schwert,
was gerne würd noch blüh ‘n.
Zieht weiter Eures Wegs,
ich komm allein zurecht.
Doch vom Pferde stieg mit einem
Sprung, der liebestolle Knecht.
Er tat was er versprochen
Und legte sich zu ihr.
Die Blume ward gebrochen,
sie lagen bis um vier.“
Der ganze Saal tobte vor Lachen, Gregor stand mit hochrotem Kopf vor seinem Teller und blickte sie verliebt an. Wahrscheinlich hatte er in seiner Borniertheit gedacht, so sinnierte Cyril, dass das Lied ihm gelte. Die Adligen standen nun alle und applaudierten. Die Blicke ihrer Mutter, die in all ihrer Schärfe darauf hofften, dass Cyril ihnen begegnen würde, durchbohrten sie von der Seite, doch Cyril wusste sie zu ignorieren. Auch der Herzog erhob sich nun und klatschte seinerseits in die Hände, worauf der Saal verstummte.
„Meine lieben Freunde“, hob er an, „Es scheint mir, wir haben hier einen wahren Schatz an unseren Hof bekommen. Seit Lady Cyril bei uns
Weitere Kostenlose Bücher