Die Drachenschwestern (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
ohne ihr Wissen das Programm in die Produktion geschickt und zudem vorher noch einige Fehler eingebaut. Sie war sich ziemlich sicher, was diesen zweiten Punkt anging. Schließlich hatte sie dieses verflixte Programm eigenhändig stundenlang getestet und auf Herz und Nieren geprüft. Und zwar sowohl am Testserver als auch mit ihrem selbst entwickelten Debugger, einem Fehlersuchprogramm. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte es dann problemlos alle Verarbeitungsstufen durchlaufen. Noch dazu in einer extrem kurzen Zeit. Es hätte ihre Lohnerhöhung und einen fetten Bonus garantieren sollen. Was also, verdammt noch mal, war schiefgelaufen? Sie würde schon noch dahinter kommen, schwor sie sich grimmig. Aber erst einmal musste sie sich um andere Dinge kümmern.
Sie nahm ein Blatt Papier und machte sich eine To-Do-Liste. Während der Arbeit erstelle sie dauernd Listen. Normalerweise verlegte sie sie jedoch innerhalb der nächsten zehn Minuten. Vielleicht nehme ich besser ein Post-It und klebe es mir an den Monitor, beschloss sie. Dann verliere ich das Ding wenigstens nicht sofort wieder. Plötzlich stutzte sie. Ihr Passwort-Post-It fehlte. Da sie dazu angehalten wurden, alle vier Wochen ein neues Passwort zu wählen, hatte sie sich angewöhnt, immer nur die letzten drei Ziffern zu ändern und die ersten vier beizubehalten. Die drei neuen schrieb sie sich jeweils auf ein Post-It, um sie nicht zu vergessen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht jeden Monat auf Anhieb ein neues Passwort merken. Und wer den ersten, gleichbleibenden Teil nicht kannte, für den waren ja auch die notierten Zahlen nutzlos. Zuvor hatte sie es gar nicht bemerkt. Mit dem aktuellen Passwort hatte sie bereits die letzten drei Wochen gearbeitet. Nach diesem Zeitraum hatte sie sich das neue Passwort jeweils eingeprägt. Sie beschloss, das auch gleich auf die Liste zu setzen. Kaja ertappte sich dabei, wie sie ihre Beobachtungen in Kürzeln festhielt, nachdem sie ihre offizielle Arbeit und den noch zu vereinbarenden Termin mit Thea aufgeführt hatte. Ich werde langsam aber sicher paranoid, stöhnte sie. Energisch verdrängte sie alle Gedanken an die Ungereimtheiten, die sich vor ihr auftürmten.
Schließlich nahm sie das Telefon zur Hand und wählte Theas Kurzwahlnummer.
„Interne Postleitstelle, Thea Marquardt, was kann ich für Sie tun?“, ertönte Theas rauchige Stimme durchs Telefon.
„Hallo Thea, ich bin’s Kaja.“
„Hallo Kaja, das ist aber eine nette Überraschung. Sag mal, was treibst du denn, man hört da ja unglaubliche Sachen!“
„Nicht jetzt Thea, ich erklär dir alles später“, antwortete Kaja hastig. „Hast du Lust, Zorro und mich auf unserem Mittagsspaziergang zu begleiten? Ich spendiere dir auch ein belegtes Brötchen“, bat sie ihre Kollegin.
„Muss ja wichtig sein, wenn du sogar zu BestechungsMaßnahmen greifst“, kicherte Thea. „Lass mich schnell nachschauen, wann meine Mittagspause anfängt“, sagte sie, nun wieder ernst. „Ich sehe hier, dass ich um halb eins weg kann, vorher geht’s schlecht.“
„Super, dann also um halb eins beim Brunnen. Irgendwelche Brötchenwünsche?“
„Käse“, lautete die knappe Antwort. Thea war überzeugte Vegetarierin. „Tschüss.“
„Bis dann.“
Erleichtert legte Kaja den Hörer auf. Auf Thea war einfach Verlass. Und wenn es jemanden gab, der wusste, was hier vor sich ging, dann sie. Thea ging auf die Sechzig zu und regierte die gesamte Schneckenpost, wie der Briefversand genannt wurde, und den elektronischen Mailverkehr. Sie wurde gleichermaßen respektiert wie gefürchtet. Trat man ihr nämlich auf die Füsse, konnte es sehr wohl sein, dass plötzlich irgendwelche vertraulichen Informationen, meist privater Natur, die Runde machten. Allerdings ging sie dabei stets so diskret und geschickt vor, dass sie nie offiziell als Quelle bezeichnet werden konnte. Verstand man sich hingegen gut mit ihr und tolerierte ihre zahlreichen Marotten, war sie ein loyaler Freund. Gerade in ihrer momentanen Situation war Kaja ungemein froh, sich zu ihren Freunden zählen zu dürfen.
Zufrieden, das Treffen mit Thea in die Wege geleitet zu haben, widmete sich Kaja die nächsten zwei Stunden ihrer aktuellen Arbeit. Sie arbeitete konzentriert an zwei schon bestehenden Programmen, die sie vor einiger Zeit selbst entwickelt hatte. Dementsprechend schnell kam sie mit ihrer Arbeit voran. Als sie fertig war, schaute sie auf ihre Uhr. Erst elf. Dann hatte sie also noch gut anderthalb Stunden
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