Die Drachenschwestern (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Blick schien, doch sie kam einfach nicht dahinter. Noch viel frustrierender war, dass sie nicht wusste, wie sie weiter vorgehen sollte, um dem Ganzen auf die Spur zu kommen. Zorro blickte ihr unruhig bei ihrer Wanderung durch die Wohnung nach. Frustriert ließ sie sich aufs Sofa sinken. Einer plötzlichen Eingebung folgend sprang sie auf und ging zu ihrer Jacke, die an der Garderobe bei der Tür hing. Sie durchwühlte die Taschen und suchte nach dem Zettel, den Tim ihr bei seiner überraschenden Abreise hinterlassen hatte. Schließlich fand sie das Gesuchte und kehrte mit dem Stück Papier und dem schnurlosen Telefon bewaffnet zu ihrem Ausgangspunkt auf dem Sofa zurück. Nur kurz zögerte sie, wählte dann aber entschlossen Tims Nummer. Sie würde sonst noch verrückt, wenn sie sich mit niemandem unterhalten konnte. Ihr ging einfach zu viel im Kopf herum. Vorsorglich hatte sie sich schon darauf eingestellt, mit seinem Anrufbeantworter zu sprechen und war umso überraschter, als er bereits beim ersten Klingeln abnahm.
„Ja?“, ertönte seine fragende Stimme durch den Hörer.
„Sag mal, hast du das Telefon ständig in der Hand?“
„Kaja, bist du das wirklich? Du wirst es kaum glauben, aber ich wollte dich eben anrufen – deshalb hatte ich mein Handy tatsächlich schon in der Hand.“
Verdutzt blinzelte sie, bis ihr einfiel, dass er sie ja nicht sehen konnte. „Äh, ja, das ist wirklich ein Zufall.“
„Ja, ja, Zufall oder nicht, das ist hier die Frage“, meinte er mit bedeutungsschwerer Stimme.
„Hör doch auf“, lachte Kaja. „Du hörst dich ja schon an wie Mémé. Weshalb wolltest du mich denn anrufen?“, fragte sie neugierig.
„Um deine schöne Stimme zu hören“, schlug er neckend vor.
„Ja, ja, ich hab mir auch schon überlegt, eine Telefonsexlinie zu betreiben, mit dieser Stimme“, frotzelte sie. „Jetzt mal ernst, was war der Grund?“
„Ich bin heute Abend zufälligerweise bei meinen Eltern zu Hause, sprich in Zürich. Da dachte ich, vielleicht hättest du Lust, mit mir am See spazieren zu gehen und ein Bier zu trinken?“
Weggehen, heute noch? Kaja überlegte kurz. Eigentlich hatte sie schon ihre bequemen Zuhause-rumhängen-Sachen an. Ach was soll’s, beschloss sie spontan. Schließlich hatte sie ja einen Zuhörer gewollt und das konnte sie ihm genauso gut während eines Spaziergangs erzählen.
„Also, was ist jetzt? Oder kommt das ungelegen?“
„Nein, nein, ich musste mich nur schnell überwinden, mich nochmals ausgehfertig zu machen. Aber Zorros Dankbarkeit wird keine Grenzen kennen“, fügte sie noch hinzu.
„Also dann, ich hole dich in einer Viertelstunde ab.“
„Mach mal zwanzig Minuten daraus, okay? Dann besteht wenigstens der Hauch einer Chance, dass ich dann auch fertig bin.“
Schnell wusch sie sich das Gesicht, schminkte sich neu. Du meine Güte, jetzt mache ich mich schon schön für Tim, dachte sie. Sie schnitt eine Grimasse, kam aber nicht gegen ihr Bedürfnis an, sich möglichst vorteilhaft zu präsentieren. Vielleicht nahm er sie dann ja ausnahmsweise als Frau war und nicht als den Dreckspatz von früher. Doch plötzlich fiel ihr der Abend in Frankreich ein, als er sich einen Kuss gestohlen hatte. Kaja überlief es siedend heiß. O Gott, das hatte sie ja fast vergessen. Nicht dass es ihr nicht gefallen hätte, aber sie hatte im Moment wirklich keine Energie für solche Spielchen. Zudem hatte sie ganz gerne selber das Wie, Wann und Wo in der Hand. Sie musste über sich selber lachen. Wahrscheinlich maß sie diesem kleinen Zwischenfall sowieso zu viel Bedeutung zu und er hatte das Ganze schon wieder vergessen.
Mit dieser Annahme lag Kaja allerdings mehr als falsch. Genau genommen hatte es Tim nicht geschafft, auch nur einen Tag nicht an Kaja zu denken. Offensichtlich hatte er sich in den kleinen, nein, verbesserte er sich in Gedanken, als er auf dem Weg zu Kajas Wohnung war, großen Wildfang verliebt. Er war noch nie verliebt gewesen. Er hatte zwar natürlich schon einige Freundinnen gehabt. Doch aufgrund seiner Arbeit hatte sich nie mehr als eine flüchtige Affäre ergeben. Das war ihm auch immer recht gewesen so. Nur keine zu engen Bindungen. Er dachte immer, er hätte das so gewählt. Aber offensichtlich war ihm nur die Richtige noch nicht über den Weg gelaufen. Tja, dann sah er wohl besser zu, dass Kaja auch zu diesem Schluss kam. Er schmunzelte. Irgendwie hatte er so eine dunkle Ahnung, dass sie seine Geduld ziemlich strapazieren könnte. Er schob
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