Die drei Ausrufezeichen 45 - Tatort Geisterhaus
hielt Oma Lotti gerade ein Nickerchen in einem Sessel am Fenster. Ein Sonnenstrahl, der sich zwischen den Wolken hindurchgekämpft hatte, ließ ihr silberweißes Haar aufleuchten. Sie wirkte sehr friedlich. Trotzdem bekam Kim einen Schreck, als sie sah, wie schmal Franzis Oma geworden war. In dem großen Sessel wirkte sie so klein und schwach wie ein Kind. Kein Vergleich zu der dynamischen und selbstständigen alten Dame, die sie vor dem Schlaganfall gewesen war. Kim schluckte. Es musste schwer für Franzi sein, ihre Oma so verändert zu sehen.
Franzi ging auf Zehenspitzen zum Fenster hinüber und berührte Oma Lotti sanft an der Schulter. Sie schlug sofort die Augen auf. Als sie ihre Enkelin erkannte, lächelte sie. »Hallo, Franzi! Ich muss wohl einen Moment eingenickt sein.«
»Dürfen wir dich kurz stören?«, fragte Franzi. »Marie, Kim und ich würden gerne mit dir sprechen.«
Oma Lottis Lächeln vertiefte sich. »Aber natürlich! Wie schön, den ganzen Detektivclub mal wieder versammelt zu sehen. Wie geht es euch?«
»Danke, gut«, sagte Marie höflich. »Und Ihnen?«
Oma Lotti seufzte. »Es ist nicht leicht, nach einem Schlaganfall wieder auf die Beine zu kommen. Aber ich will nicht klagen. Mit dem Laufen klappt es schon wieder ganz gut, oder, Franzi?«
Franzi nickte. »Du musst nur immer schön üben, dann bist du bald so schnell wie Tinka.«
Oma Lotti lachte. »Das glaube ich kaum. Zurzeit humple ich eher wie deine Polly durch die Gegend.« Sie setzte sich auf und ordnete ihr weißes Haar. »Was kann ich für euch tun?«
»Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen«, begann Marie.
»Gerne.« Oma Lottis blaue Augen funkelten interessiert. Sie schien sich tatsächlich über die Abwechslung zu freuen. »Worum geht es?«
»Um dein Haus.« Franzi zog das Geisterfoto hervor. »Wir haben etwas Merkwürdiges auf einem der Fotos entdeckt, die Michi letzte Woche gemacht hat.«
Oma Lottis Blick wurde wehmütig, als sie das Bild betrachtete. »Ach ja, mein schönes Haus! Es bricht mir fast das Herz, dass ich es verkaufen muss. Ich habe mich dort immer so wohl gefühlt …« Sie stutzte, als ihr Blick auf den Schatten am Fenster fiel. »Was ist denn das?«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden«, antwortete Kim.
»Es könnte ein Geist sein«, sagte Marie eifrig.
Oma Lotti runzelte die Stirn. »Ein Geist?«
Marie nickte. »Ja, der Geist eines toten Jungen. Wissen Sie, ob in Ihrem Haus schon mal jemand gestorben ist?«
Oma Lotti wurde blass. »Wie kommst du denn darauf?«
»Geister zeigen sich gerne an Orten, die ihnen vertraut sind«, erklärte Marie. »Zum Beispiel dort, wo sie vor ihrem Tod gelebt haben.«
Franzis Oma ließ das Foto sinken. »Es ist merkwürdig, dass dudanach fragst«, sagte sie langsam. »Denn es hat tatsächlich einen Todesfall in meinem Haus gegeben.«
»Was?« Franzi riss die Augen auf. »Warum hast du mir nie davon erzählt?«
»Ich wollte dir keine Angst machen.« Oma Lotti sah ihre Enkelin liebevoll an. »Als kleines Mädchen hast du sowieso schon in jeder Ecke Hexen, Geister und Monster gesehen.«
Franzi grinste. »Stimmt. Und ich wäre für mein Leben gern selbst eine Hexe gewesen.«
»Außerdem ist diese Geschichte schon so lange her.« Oma Lottis Augen wurden trüb, ihr Blick schien in die Vergangenheit zu wandern. »Es passierte, einige Jahre bevor meine Eltern das Haus gekauft habe. Ich war noch ein Kind.«
»Was ist damals genau geschehen?«, erkundigte sich Kim.
Oma Lotti fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, dann begann sie zu erzählen. »Das Haus gehörte einem jungen Paar. Sie hatten einen kleinen Sohn. Er hieß Viktor, wenn ich mich richtig erinnere. Als das Unglück geschah, war er fünf Jahre alt.«
Kim fröstelte. »Was für ein Unglück?«, flüsterte sie.
Oma Lotti seufzte. »Viktor hatte einen Unfall. Es war alles sehr tragisch. Er ist die Treppe hinuntergefallen. Soviel ich weiß, wurde das Haus gerade renoviert und die Treppe war kurzzeitig nicht richtig gesichert. Der kleine Junge ist so unglücklich gestürzt, dass er kurze Zeit später starb.«
»Oh nein!«, hauchte Franzi. »Wie schrecklich!«
Auch Marie machte ein betroffenes Gesicht.
Kim schluckte. Sie sah plötzlich Ben und Lukas vor sich, die auch gerne in halsbrecherischem Tempo die Treppe hinunterrannten. Nicht auszudenken, wenn ihnen dabei etwas passieren würde.
»Und wie ging es weiter?«, fragte Franzi.
»Der Tod ihres Sohnes hat Viktors Eltern das Herz gebrochen«,
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