Die drei Ausrufezeichen 45 - Tatort Geisterhaus
Ihnen, Kurt. Ich darf Sie doch so nennen, oder?« Marie schenkte dem jungen Mann ein strahlendes Lächeln. »Und ich bin mir sicher, dass Sie später einmal ein hervorragender Journalist werden. Dieser Artikel über das Spukhaus ist einfach großartig geschrieben! Ich habe eine richtige Gänsehaut beim Lesen bekommen.« Marie erschauderte.
Kim musste sich das Lachen verbeißen. Marie zog mal wieder alle Register ihrer Schauspielkunst. Aber ihre Strategie schien aufzugehen, denn die Miene des Volontärs hellte sich augenblicklich auf.
»Danke!« Er erwiderte Maries Lächeln. »Ich habe auch ziemlich lange daran gefeilt.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Marie nickte verständnisvoll. »Und ich bin mir sicher, dass Sie nicht nur Schreibtalent, sondern auch eine hervorragende Beobachtungsgabe besitzen. Könnten Sie uns vielleicht eine Personenbeschreibung Ihres Informanten liefern? Das würde uns wirklich sehr weiterhelfen!« Sie klimperte kokett mit ihren langen Wimpern.
Kurt Lindner schmolz dahin. »Natürlich! Kein Problem. Der Typ war noch ziemlich jung …«
»Wie jung?«, wollte Franzi wissen.
»Keine Ahnung.« Der Volontär überlegte. »Vielleicht sechzehn oder siebzehn.«
Kim zückte das abgegriffene Heft, das sie als Detektivtagebuch für unterwegs benutzte, und machte sich Notizen. »Haarfarbe?«
»Äh – braun.« Kurt Lindner runzelte die Stirn. »An die Augenfarbe kann ich mich nicht erinnern. Er war mittelgroß und trug Jeans und ein Kapuzensweatshirt.«
»Vielen Dank!« Marie warf ihre Haare über die Schulter zurück. »Das war wirklich großartig. Jetzt müssen wir leider gehen. Falls Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich gerne jederzeit bei uns.« Sie zog eine Visitenkarte aus ihrem silbernen Etui und reichte sie Kurt Lindner.
»Klar, mach ich.« Er strahlte über das ganze Gesicht. »War nett, dich kennenzulernen.«
Kim klappte langsam das Detektivtagebuch zu. Sie bekam kaum mit, wie sich Franzi und Marie von dem Volontär verabschiedeten. In ihren Ohren rauschte es und das Büro verschwamm vor ihren Augen.
Denn soeben war ihr ein schrecklicher Verdacht gekommen.
H erzensqualen
Detektivtagebuch von Kim Jülich
Freitag, 15:47 Uhr
Der Fall hat eine ungeahnte Wendung genommen. Unser Geisterfoto war heute in der Zeitung der Aufmacher des Lokalteils! Das hat die Ermittlungen ordentlich durcheinandergewirbelt. Ich komme gerade aus der Zeitungsredaktion, wo wir den Volontär befragt haben, der für den Artikel verantwortlich ist. Angeblich hat ihm ein großer Unbekannter das Foto zugespielt. Das ist natürlich Unsinn, aber Marie hat dem Volontär mit ihrem unnachahmlichen Charme zumindest eine halbwegs brauchbare Personenbeschreibung entlockt. Der anonyme Informant soll sechzehn bis siebzehn Jahre alt sein, braune Haare haben und Jeans und einen Kapuzenpullover getragen haben.
Bei mir haben sofort sämtliche Alarmglocken geläutet. Denn ich kenne eine Person, auf die diese Beschreibung hundertprozentig zutrifft. Ich kenne sie sogar sehr gut.
MICHI MILLBRANDT!!!
Geheimes Tagebuch von Kim Jülich
Freitag, 16:06 Uhr
Wer diese Zeilen liest, den soll meine Verzweiflung treffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sodass er seines Lebens nie mehr froh wird – genau wie ich.
Hilfe, was soll ich nur tun? Meine schlimmsten Befürchtungen sind Wirklichkeit geworden: Michi ist zu unserem Hauptver d ächtigen geworden! Eigentlich müsste ich die Ermittlungen ab sofort Franzi und Marie überlassen, weil ich eindeutig befangen bin. Aber es würde mich umbringen, nur untätig herumzusitzen und nichts tun zu können. Ich muss wissen, was passiert ist! Hat Michi das Foto von Oma Lottis Haus manipuliert? Und hat er sein selbst gebasteltes Geisterfoto dann der Zeitung zugespielt? Aber warum sollte er so etwas tun?
Ich bin hin- und hergerissen. Ich würde Michi so gerne vertrauen, aber ich schaffe es nicht. Seit Frank aus dem Gefängnis entlassen wurde, hat Michi sich verändert. Und Frank hat ihn schließlich schon einmal negativ beeinflusst und in seine kriminellen Machenschaften hineingezogen. Was, wenn er wieder einen schlechten Einfluss auf Michi hat? Ich habe das Gefühl, dass Michi mir mehr und mehr entgleitet.
Es gibt nur einen Weg, dieser schrecklichen Ungewissheit zu entkommen: Ich muss Michi zur Rede stellen. Ich muss wissen, ob er der anonyme Informant ist.
Und wenn sich meine Befürchtungen bestätigen? Dann wird mein Herz in tausend winzige Stücke zerbrechen und vom Winde verweht
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