Die Drei Ausrufezeichen - Vampire in der Nacht
dazwischen. Alles, was sie von ihm wusste, war, dass er ein charmantes Lächeln hatte und tiefgründige Augen, die im Sonnenlicht turmalingrün schimmerten und wunderschön waren.
»Hab ich Jo damals eigentlich wirklich permanent zugequatscht?«, fragte sie Kim und Franzi so unvermittelt, dass die Marie daraufhin verdutzt anblickten. Zur Erklärung hielt sie Jos Postkarte hoch.
»Ach, Marie«, seufzte Kim. »Das geht wohl nie vorbei, was?« Marie blätterte gedankenverloren weiter. Vielleicht wollte Jo auch gar nichts von sich preisgeben, vielleicht war er ganz froh, dass ich ihm die ganze Zeit die Ohren zugesabbelt habe? So konnte er Mr Unbekannt bleiben und sich hinter seinem Charme verstecken.
Marie seufzte. Der Fall auf der Rennbahn in England hatte damals ihre ganze Aufmerksamkeit gefordert. Das hatte sie davon abgehalten, Jo mit Fragen zu löchern.
Schade, hätte ich es mal getan, dachte Marie und erinnerte sich an seine geschwungenen Lippen, die so wundervoll weich waren. Plötzlich durchfuhr ein Stich wie von einem Dolch ihr Herz. Hatte er sie wirklich im Mondenschein geküsst? Oder hatte sie sich das nur erträumt? Wie auch immer, der Sommer mit ihm war längst vorbei. In diesem Moment fehlte ihr Jo trotzdem unglaublich. Im nächsten schon berührte sie den Touchscreen ihres Handys und wählte seine Nummer. Vielleicht hatte er ja Lust, sie zu besuchen und mit auf die Kostümparty zu gehen – als Schatten der Vergangenheit. Als Mondschatten verkleidet hätte er sogar zum Motto der Party gepasst. Der Anrufbeantworter sprang an. Wie blöd, noch nicht einmal seine Stimme konnte sie hören, sondern nur die kaltherzige Ansage einer Computerfrau. Marie hinterließ eine Nachricht. Vielleicht meldet er sich ja, hoffte sie und in ihrer Erinnerung hallte sein Lachen für eine Sekunde auf und sie sah auch noch einmal in seine schelmisch blitzenden Augen. »Alles gut bei dir?«, fragte Kim, als sie sah, dass Maries Augen wässrig glänzten.
»Alles bestens«, winkte Marie ab und legte das Handy aus der Hand. »Ich dachte nur, dass Jo vielleicht Lust haben könnte, mit zur Party zu kommen. Aber er geht nicht ans Handy.« »Hinterlass ihm eine Nachricht, der ruft bestimmt zurück«, sagte Franzi.
»Hab ich gemacht!« Marie tat so, als wäre das Thema damit für sie erledigt, und sprang vom Bett auf. »Und, seid ihr fündig geworden?«
Franzi hielt eine schwarze Leggings mit aufgestickten silbernen Spinnenweben hoch und fragte: »Die brauchst du ganz sicher nicht mehr? Dann ist das jetzt meine!«
»Du bleibst also dabei?«
»Klar, ich gehe als Nachtalb. Vielleicht sollte ich für einen Abend meine roten Haare weiß färben, was meint ihr?«
Kim war unschlüssig. »Und wenn du das Zeug nicht mehr aus den Haaren bekommst, siehst du für den Rest des Jahres aus wie deine eigene Großmutter. Ich weiß nicht ...«
»Es gibt bestimmt irgendein Spray, das man schnell wieder auswaschen kann«, sagte Marie. »Vielleicht ja Silber mit Glitzer oder so.«
»Hey, coole Idee. Silber! Das mache ich. Passt zu den Leggings!« Franzi war begeistert.
Eines der Bücher, die Marie gekauft hatte, zeigte sogar Nachtalbe in den unterschiedlichsten Gewändern. Sie entschied sich für eine Variante mit spitzen Ohren und schwarzen Lippen im silbrigen Gesicht. Kim liebäugelte noch immer mit einem Bettlaken. In Maries Kleiderschrank hatte sie nichts gefunden, was sie zu etwas anderem als einem einfallslosen Gespensterkostüm inspirierte. »Was meint ihr, bekommen wir hiermit ein Kostüm für eine Gespensterprinzessin hin?«, fragte sie und zerrte an Maries Betdaken.
»Hey, geht es noch simpler?«, fragte Marie völlig entgeistert. »Wenn du schon unbedingt ein unscheinbarer Geist sein möchtest, dann aber mit Stil!« Sie kramte in einer der Schubladen ihres Schrankes und zauberte ein kurzes Spitzenkleid hervor.
»Das ist viel zu knapp! Da sieht man ja meine knubbeligen Knie!«, kreischte Kim entsetzt.
»Red keinen Unsinn! Es ist genau richtig! Du hast so schöne Beine. Zeig sie auch! Das bunte Band in der Taille nehmen wir raus, dann kaufen wir dir morgen noch weiße Strümpfe und künstliche Spinnenweben. Wirst schon sehen, das wird toll aussehen!«
»Und ich schau, ob ich das Silberspray auftreiben kann«, meinte Franzi. Marie hingegen konnte sich nicht entscheiden, wie ihr Auftritt als Königin der Nacht aussehen sollte.
»Ich hab ja noch die halbe Nacht Zeit zum Überlegen«, sagte sie, als Franzi und Kim sich verabschiedeten.
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