Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
dem Haus. Er legte ihn auf einen großen Holzblock und in diesem Moment spürte ich, wie ich eine Welle aus Angst und Entsetzen empfing... von ihm... niemals zuvor habe ich mich so gefühlt.“
„Ich habe das Gleiche von dir empfangen, direkt bevor ich den Fuchs gepackt habe.“
Sie sahen sich einen Moment lang an.
„Da unten ist etwas. Es ist ein großes Tier und ich glaube, es hat Angst um sein Leben. Wir müssen ihm helfen!“, dachte Joshua. Und ohne weiter nachzudenken flog er den Hügel hinunter und auf die große Scheune zu. Grau blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. „Wir sollten solche Siedlungen wahrscheinlich besser meiden“, dachte er zu Joshua.
„Ich weiß“, gab Joshua zurück. „Aber nicht diese hier.“
Wieder und wieder erreichten sie Wellen der Furcht, die aus der Scheune drangen, und Joshua musste jedes Gramm an Kraft aufbringen, um sich von dem starken Gefühl nicht überwältigen zu lassen. Er flatterte hinauf zu einer Fensterbank und spähte hinein. Drei Männer befanden sich in der Scheune. Zwei von ihnen hielten die Zügel eines riesigen Pferdes, das einmal ein Kriegspferd gewesen sein musste. Es war gewaltig, dunkelbraun mit schwarzer Mähne, weißer Musterung und beträchtlichen Fesseln. Der dritte Mann hielt etwas in der Hand, das aussah wie ein Bolzenschussgerät. Joshua hatte so etwas schon einmal auf dem Bauernhof gesehen. Es wurde beim Schlachten von Schweinen und Kühen benutzt. Man hielt es dem Tier an den Kopf und der Bolzen durchdrang den Schädel und tötete es sofort.
„Sie werden ihn umbringen“, dachte Joshua. „Wir müssen etwas tun!“ Er flatterte von der Fensterbank herunter, lief um die Scheune herum und durch die offene Tür. Als er das Pferd von unten sah, wirkte es sogar noch größer als zuvor. Es stand auf seinen Hinterbeinen und in seinen Augen war die Todesangst deutlich zu sehen. Joshua flatterte auf, krähte laut und versuchte, die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu lenken. Der mit dem Bolzenschussgerät trat einige Male nach ihm und Joshua entwischte ihm jedes Mal nur knapp.
„Los, bringen wir's hinter uns“, sagte einer der anderen beiden Männer. „Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Hol mein Gewehr!“ Er zeigte auf ein Regalbrett an der Wand. Der Mann mit dem Bolzenschussgerät drehte sich um.
In diesem Moment trat der Wolf lautlos in die Scheune. Alles verlangsamte sich. Ein Sonnenstrahl, der durch eine Lücke in der Scheunenwand hereinfiel, schien genau auf Grau, und Joshua konnte die Staubpartikel sehen, die um seinen Kopf in der Luft herumwirbelten. Der Mann mit dem Bolzenschussgerät hatte ihn zuerst gesehen. Er war so verblüfft, dass er vollkommen erstarrte. Die beiden anderen merkten, dass der Mann innehielt, und als sie seinem Blick folgten, entdeckten auch sie den Wolf. Mit einem tiefen Knurren fletschte er die Zähne, sein Nackenfell sträubte sich.
„Du wirst niemals an das Gewehr kommen“, dachte Grau zu dem Mann, der ihm am nächsten stand. Der Mann verstand seine Gedanken nicht, aber ihm wurde im gleichen Moment klar, dass er keine Chance hatte, rechtzeitig das Gewehr zu erreichen und den Wolf zu erschießen. Er wich zurück.
Das Pferd warf den Kopf zurück und die Zügel rutschten dem Mann aus der Hand. Auch der andere konnte sie nicht mehr festhalten und plötzlich war das Pferd frei. Es stellte sich auf die Hinterbeine und einer der Männer stürzte und entkam nur knapp einem Huftritt. Dieses Bild – das Pferd auf seinen Hinterbeinen und der Wolf, der ihm gegenüber in einem Lichtstrahl in der Scheune stand – war in Joshuas Augen so kraftvoll und beeindruckend, dass er für einen Moment das Entsetzen vergaß, das er verspürt hatte.
Dann brach die Hölle los. Der Wolf machte einen Satz auf den Mann mit dem Bolzenschussgerät zu. Die Schreie der Männer in Todesangst gingen Joshua durch Mark und Bein, genauso wie einige Minuten zuvor die Panik des Pferdes. Als der Wolf auf den Mann prallte und ihn zu Boden warf, machte das Pferd einen Satz über beide hinweg und raste durch das offen stehende Tor. Joshua dachte zuerst, der Wolf würde den Mann töten, doch dann sah er, dass er nur auf seiner Brust stand. Das Gesicht des Mannes war wenige Zentimeter entfernt von den gebleckten Wolfszähnen. Er war völlig panisch.
„Wir sollten gehen!“, dachte Joshua. „GRAU!“, schrie er in seinen Gedanken. Der Wolf sah über seine Schulter, als erwachte er aus einer Trance. „Wir müssen verschwinden. Jetzt!“
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