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Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Titel: Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bolz
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sah das Zögern in seinen Augen. Es war begleitet von einem Bild, das die drei teilten. Es war so brutal, dass der Wolf plötzlich aufsprang, mit aufgestelltem Nackenfell und hochgezogenen Lefzen, die Zähne gefletscht. Joshua krähte entsetzt und flatterte von seinem Ast herunter. Es war eine Kriegsszene. Tote Soldaten lagen überall und Blut sickerte in die dunkle Erde. Eine Gruppe von acht Pferden drängte sich aneinander, neben ihnen stand ein dürrer Baum auf dem weiten Schlachtfeld. Der Baum war ihr einziger Schutz. Sie waren voller Schlamm und getrocknetem Blut. An manchen Stellen war es ihr eigenes, an anderen kam es von den Soldaten, die auf ihnen oder gegen sie gekämpft hatten. Zwischen den Männern lagen auch tote Pferde; ihre Körper schienen friedlich, als seien sie den Schrecken des Krieges endlich entkommen. Die wenigen Soldaten, die übrig geblieben waren, kümmerten sich um die Verwundeten.
    Plötzlich bewegte sich etwas am Rand des Feldes. Etwas näherte sich. Durch den Nebel waren zunächst nur Schemen zu erkennen. Doch dann nahmen die Pferde den Geruch wahr und Entsetzen breitete sich unter ihnen aus wie ein Lauffeuer. Das Rudel Wölfe, das aus dem hohen Gras hervorkam, sah aus, als käme es direkt aus den Tiefen der Hölle. Die Tiere waren erschöpft und ausgehungert. In ihren roten Augen stand deutlich der Blutdurst. Ohne Vorwarnung sprangen sie auf die Pferde los. Diese waren ermattet und unglaublich müde vom tagelangen Kampf und hatten nicht die Kraft zu fliehen. Die Wölfe bewegten sich schnell und Joshua sah das Pferd, das sie eben gerettet hatten. Es stand am Rand der Gruppe und sah zu, wie einer der Wölfe auf es zuflog und sprang, mit weit aufgerissenem Maul und Reißzähnen, die bereit waren, sich in sein Fleisch zu schlagen. Dem Pferd blieb nichts anderes übrig, als sich nach vorne zu bewegen und den Wolf auf halbem Weg in der Luft zu treffen. Das Pferd stieg auf seine Hinterbeine und sprang. Als es auf den Wolf prallte, befanden sich die beiden einen Moment lang von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
    Das Bild des Wolfgesichtes so dicht vor seinem eigenen hatte sich in die Erinnerung des Pferdes gebrannt und selbst jetzt, da es in Sicherheit war und weit weg vom Schlachtfeld, musste es seine ganze Kraft aufbringen, um nicht die Flucht zu ergreifen – wegzulaufen und ihm niemals wieder zu begegnen.
    „Wie bist du entkommen?“, fragte Joshua nach einer Weile.
    „Ich erinnere mich nicht“, antwortete das Pferd. „Alles, was ich noch weiß, ist, dass ich die anderen nie wieder gesehen habe. Ich weiß nicht, ob sie überlebt haben oder was aus ihnen geworden ist.“
    „Es tut mir leid“, dachte der Wolf in die Stille. Dann ging er hinüber zu dem Pferd und legte sich vor ihm auf den Boden. Mit auf die Pfoten gelegtem Kopf blickte er zu dem großen Kriegspferd hinauf. „Ich kann dir mit deinem Zaumzeug helfen“, dachte er leise zu ihm.
    Als sich ihre Blicke trafen, brach der Mond durch die Wolken, erleuchtete den schneebedeckten Boden und spiegelte sich in dem kleinen See. Eine Weile stand das Pferd da, ohne sich zu rühren. Dann ließ es sich auf seine Vorderbeine nieder und legte sich auf den Boden. Joshua beobachtete aus der Nähe, wie Grau langsam aufstand und auf das Pferd zuging. Ohne zu zögern, packte er das Zaumzeug zwischen den Ohren des Pferdes mit seinen Zähnen und zog vorsichtig an dem Lederstreifen. Es glitt herab und das Pferd war frei.
    „Danke“, dachte das Pferd.
    „Nein“, antwortete der Wolf. „Ich danke dir.“
    „Wie heißt du?“, fragte Joshua nach einem Moment.
    „Krieg“, antwortete das Pferd.
    „So wie der Krieg?“
    „Ja. So wie der Krieg. Ich wurde für den Krieg gezüchtet, im Krieg geboren und für die Schlacht trainiert.“
    „Kommen daher all diese Narben?“, fragte Joshua.
    Das Pferd blickte gedankenverloren in Richtung Horizont.
    „Ich habe den Tod gesehen, viel zu oft. Auf den Schlachtfeldern von Toulouse, wo Mann gegen Mann gekämpft wurde, um Land, das keinem gehörte. Um Reichtümer, die nicht mehr Wert besaßen als eine Handvoll Sand, was auf nichts hinausläuft. Ich habe Blut gesehen, das in purpurnen Flüssen über verkohlten Boden floss. Vergossen von Brüdern und Vätern und Söhnen, von großen Herzen und kleinen, und ihr Blut vermischte sich und im Tod wurden sie wieder eins und vergaßen, warum sie gekämpft hatten.“
    Er wandte sich um zu Joshua und dem Wolf. „Ich will nur Frieden. Ich möchte nicht mehr um mein

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