Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
Der Wolf betrachtete den Mann noch kurz, dann wandte er sich um und lief hinaus, gefolgt von Joshua.
Sie verließen die Scheune und Joshua folgte Grau, der durch dichtes Gebüsch brach und eine Böschung zu einem kleinen Fluss hinunterlief. „Sie werden uns jagen!“ Die Gedanken des Wolfs erreichten Joshua, als sie beinahe am Fluss angekommen waren. Joshua flog die meiste Zeit, aber er wusste, dass er so nicht lange weitermachen konnte. „Ich bin zu langsam. Ich werde es nicht schaffen!“, dachte Joshua zu dem Wolf. „Wenn sie mich erwischen , erwischen sie auch dich. Du solltest fliehen, Grau. Sie werden kein Interesse an einem Hahn haben, wenn sie einen Wolf jagen können.“
„Ich werde dich nicht verlassen“, dachte der Wolf.
„Das wirst du aber müssen, wenn du überleben willst!“
Joshua spürte seine Kräfte schwinden. Er war es nicht gewohnt, zu fliegen, oder überhaupt seine Flügel zu benutzen. In den letzten Tagen hatte er sie öfter benutzt als jemals zuvor in seinem Leben. Nun war jeder Flügelschlag eine Anstrengung.
„Geh!“, dachte er zu dem Wolf. Aus der Ferne konnte er die Männer hören, die einander etwas zuriefen. Er konnte nur wenige Worte verstehen. Jagen. Töten. Wolf.
„Mit denen kann ich es aufnehmen“, gab der Wolf zurück.
„Nein, kannst du nicht! Nicht mit drei Männern und ihren Gewehren! Du musst gehen!“
„Das werde ich nicht.“ Und damit drehte Grau sich um und stürmte zurück, auf die Stimmen der Männer zu.
„Nein, Grau!“, schrie Joshua in seinen Gedanken. „Du kannst das nicht tun!“
In diesem Moment brach direkt vor dem Wolf das Pferd durch das Unterholz. Einen Augenblick sahen sich die beiden Tiere an, ein Hauch von Angst lag in den Augen des Pferdes.
„Spring auf meinen Rücken“, dachte das Pferd zu Joshua.
„Was?“
„Du hast mich schon verstanden. Spring auf meinen Rücken und halt dich an meiner Mähne fest. Das ist deine einzige Chance.“
Der Wolf sah nervös aus. Ein Hahn auf einem Pferd?
„Tu es! JETZT! Oder ihr habt mich gerade umsonst gerettet.“
Da traf Joshua die bewusste Entscheidung, nicht weiter über die Konsequenzen seines Handelns nachzudenken, sondern es einfach zu tun. Ohne einen weiteren Gedanken sprang er, flog und landete auf dem Pferderücken.
„Halt dich fest!“, dachte das Pferd, wandte sich um und brach durch das Gebüsch und auf das offene Feld hinaus. Damit begann der wildeste Ritt in Joshuas Leben. Er grub seine Krallen in den Rücken des Pferdes, und falls es das spürte, ließ es sich nichts anmerken. Er merkte schnell, dass er sich ducken musste, wenn er sich überhaupt halten wollte.
Das große Kriegspferd flog über die Wiese, den Wolf an seiner Seite. Joshua spürte die Kraft der Muskeln unter sich, aber auch die pure Freude des Pferdes, dem sicheren Tod entkommen zu sein , zu galoppieren wie der Wind, mit den Hufen auf die Erde zu trommeln. Joshua konnte nicht anders, als sich von diesen Emotionen anstecken zu lassen, und zu seiner eigenen Überraschung ließ er sich zu einem Hahnenschrei hinreißen, der mit seiner eigenen Freude und der des Pferdes erfüllt war. Der Hahnenschrei drang bis in die entferntesten Weiten des Tals, große und kleine Kreaturen hörten es und einige von ihnen fühlten die Freude ebenfalls in ihren Herzen. Und für einen winzigen Moment waren sie alle bei ihm.
* * *
Irgendwann wurden sie langsamer und fielen in einen gemächlichen Trab, und als die Nacht hereinbrach, machten sie Rast an einem kleinen Fluss, der in einen ruhigen See mündete. Der Schnee, der zuvor gefallen war, machte die Nacht noch stiller. Joshua saß auf einem niedrigen Ast in einer großen Kiefer. Grau lag unter ihm auf den Nadeln und leckte sich die Pfoten. Sie waren wund von dem stundenlangen Rennen auf dem rauen Boden. Das Pferd stand am Ufer und graste auf einem kleinen Stück Erde, auf dem allerdings mehr Dreck als Gras zu finden war. Seine Zügel hatten sich verheddert und während der Flucht hatten sich kleine Zweige und Lehmklumpen darin verfangen. Joshua konnte den pochenden Schmerz spüren, den das harte Eisen des Zaumzeugs im Maul des Pferdes ausgelöst hatte.
„Ich kann dich davon befreien, wenn du willst“, dachte der Wolf. Joshua sah vor seinem inneren Auge, wie das Pferd vor dem Wolf auf dem Boden lag und Grau das Zaumzeug mit seinen Zähnen packte und über den Kopf des Pferdes zog.
Das Pferd drehte seinen Kopf und betrachtete Grau einen Moment lang. Joshua
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