Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
Leben kämpfen müssen. Ich bin zu alt. Zu müde. Bald. Bald werde ich dem Pfad meiner Vorfahren folgen zum großen, weiten Weideland, wo die Sonne niemals untergeht und es genug Wasser gibt und wo Frieden herrscht unter allen lebenden Dingen. Bis dahin stehe ich in deiner Schuld, Joshua. In euer beider Schuld. Bis dahin, sagt mir, wie–“
„Du bist mir nichts schuldig, Krieg. Nicht im Geringsten“, antwortete Joshua. „Jeder hätte dasselbe für dich getan.“
„Wie dem auch sei, Roter, die Schuld steht, bis sie bezahlt ist. An euch beide. Ende der Diskussion.“
Nachdem Krieg gesprochen hatte, war alles ruhig. Joshua sah von dem Pferd zum Wolf hinüber und ließ seinen Blick auf jedem der beiden einen Moment lang ruhen. Er erkannte, dass diese beiden Kreaturen unter normalen Umständen wohl keine Freunde sein konnten. Doch unter normalen Umständen wäre wahrscheinlich keiner der drei mit einem der beiden anderen befreundet.
„Ich hatte einen Traum“, dachte Joshua in die Stille hinein. „Einen Traum von drei Federn irgendwo in den Tiefen unterhalb der Sturmberge. In meinem Traum waren mir die Federn so wichtig – und ich ihnen –, dass ich sie finden will. Ich bin mir nicht sicher, was das bedeutet oder ob es überhaupt irgendetwas bedeutet, aber ich weiß im Innersten meines Herzens, dass ich sie finden muss, selbst wenn ich den Grund dafür nicht kenne.“ Als er die anderen ansah, wusste er, dass sie das gleiche Bild vor Augen hatten wie er selbst – eine riesige Höhle, in der drei Federn auf einem schwarzen, polierten Steinblock ruhten.
„Ich werde dir helfen“, dachte Krieg. „Dein Frieden ist meiner, Joshua vom Großen See.“
„Und meiner“, fügte der Wolf hinzu.
Die Nacht hielt einen Moment lang den Atem an. Der Mond stand tief und klar am Himmel und es schien, als würde alles um sie herum zum stummen Zeugen dieses Pakts. Und einen winzigen Augenblick lang bekam Joshua eine Ahnung davon, was es hieß, Gefährten an seiner Seite zu haben.
Kapitel 6 – Wasser
Sie wanderten drei Tage lang durch ein Tal, das sich kilometerweit vor ihnen ausstreckte und einen dichten Wald, in dem die Äste ein dickes Dach über ihren Köpfen bildeten. An kleinen Flüssen machten sie Rast und stillten ihren Durst. Grau fing ein paar große Fische und für Krieg und Joshua gab es mehr als genug zu fressen. Und die ganze Zeit über teilten sie miteinander ihre Geschichten und Erinnerungen aus ihrem Leben. Sie teilten ihre Ängste und Freuden, ihre Fehler und Erfolge. Doch vor allem erfuhren sie voneinander, nach was sie sich sehnten. Kriegs tiefer Wunsch nach Frieden, Graus Trauer um seine tote Gefährtin und Joshuas machtvoller Traum, ohne den er nicht mehr leben konnte. Am Ende des vierten Tages wusste jeder so viel über die anderen, wie man es sonst nur in langen und tiefen Freundschaften findet.
Während sie wanderten, veränderte sich das Wetter. Die verschneiten Hügel blieben hinter ihnen zurück und sie kamen in eine Gegend, in der bald die ersten Grashalme den gefrorenen Boden der sonnenbeschienenen Wiesen durchbrechen würden. Bald würden die ersten Blüten zu sehen sein, die aus der Dunkelheit ins Sonnenlicht drängten. Die drei Freunde spürten, dass der Frühling um sie herum, der gerade die letzten Tage des Winters einholte, ihre eigene Reise widerspiegelte. So hatten sie doch ihre Vergangenheit zurückgelassen und waren zu etwas Neuem aufgebrochen – etwas Größerem, das immer noch im Ungewissen lag, doch nicht mehr vollständig vor ihnen verborgen. Dann begann das Heulen.
Sie hatten sich gerade für die Nacht eingerichtet, als sie es hörten. Erst kam es aus einer Richtung. Dann aus einer anderen und schließlich aus einer dritten. „Wölfe?“, war Joshuas erster Gedanke.
„Nein“, antwortete Krieg. „Diese Wölfe, denen ich vor langer Zeit begegnet bin, hat der Krieg gezüchtet, und ihr Herr hatte sie hungern lassen, um sich an der Angst der Überlebenden zu ergötzen. Ich habe sie nie wieder gesehen.“
„Krieg hat recht“, dachte Grau. „Das sind keine Wölfe. Wenn es welche wären, wüsste ich das. Aber was immer es auch ist, es hat uns vollständig umzingelt.“
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Joshua.
„Spring auf meinen Rücken“, dachte das Pferd.
Bevor Joshua Kriegs Gedanken Folge leisten konnte, sah er ein Rudel Hyänen vor seinem inneren Auge. Das Bild kam von dem Wolf.
„Ein Dutzend. Vielleicht zwei. Ich kann es mit vier
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