Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
brauchte etwas Vernünftiges zum Essen, eine ordentliche Mahlzeit. Ich brauchte eine Idee, wie ich mich aus dieser Situation befreien konnte. Ich rauchte meine letzte Zigarette. Mein Gehirn zog Kreise wie ein Goldfisch in seinem Glas und ich fühlte mich hilflos und elend. Der Strahl der Taschenlampe fiel durch das Gittertor. Tomomi Ishikawa schwenkte ihre Pistole und befahl mir, mich von dem Tor fernzuhalten, und ich gehorchte. Sie kam näher und hockte sich vor dem Gitter auf den Boden. Sie sagte nichts.
»Ich komme mir so blöd vor«, brummte ich.
»Du bist so einiges, Ben Constable, aber blöd nicht.«
»Ich komme mir blöd vor, weil ich dir geglaubt habe, als du geschrieben hast, du seist tot, und weil ich dachte, ich hätte dich retten können, wenn ich nur ein paar Sachen anders gemacht hätte. Ich dachte, wenn ich dich mal angerufen oder dir eine SMS geschickt hätte, hättest du dich vielleicht nicht umgebracht. Ich hatte das Gefühl, es wäre meine Schuld. Und ich komme mir blöd vor, weil ich um dich getrauert habe und total geschockt war. Und ich war geschockt, ich konnte es einfach nicht ändern. Es war, als wäre ich verrückt geworden. Und ich komme mir blöd vor, weil ich Beatrice geglaubt habe, als sie sagte, sie würde dich nicht kennen. Sie wollte sogar, dass ich ihr nicht glaube, aber ich habe mir die Dinge einfach weiter so gedreht, wie ich sie haben wollte. Und dann habe ich dich so verdammt vermisst, obwohl ich dich offensichtlich überhaupt nicht kenne. Wer zum Teufel ist denn überhaupt Tomomi Ishikawa? Es ist, als hätte ich eine imaginäre Freundin gehabt, die zufällig genauso hieß wie du. Darum komme ich mir blöd vor. Diese ganze Geschichte ist eine einzige Verkettung von Blödheiten meinerseits und jetzt hocke ich hier in irgendeinem unterirdischen Kerker und warte darauf, dass meine Psycho-Freundin mich umbringt.«
»Tut mir echt leid, dass du hier sein musst«, sagte sie. »Das hätte ich dir nicht gewünscht. Ich finde schon eine Lösung. Versprochen.«
»Witzig, wenn die Person, die sich rund um die Uhr für deine Freiheit abmüht, gleichzeitig deine Kidnapperin ist.« Tomomi Ishikawa antwortete mit einem halben Schulterzucken und einem halben Lächeln. »Und weißt du, was noch witziger ist?«, fragte ich.
»Nein.«
»Du hast mich in diesen Raum manövriert, indem du mich geküsst hast.«
»Ha, ha, ha!« Sie lachte laut auf. »Oh Gott, entschuldige, das ist mir wirklich ein bisschen peinlich. Aber ich war so verzweifelt.«
»Herzlichen Dank.«
»Nein, doch nicht auf die Art verzweifelt.«
Jetzt war ich derjenige, der lachte.
»Nein, nein, nein«, protestierte sie.
Ich sah sie an und sie blickte grinsend zu Boden. »Ich wusste bloß nicht, was ich machen sollte«, erklärte sie. »Ich war nicht darauf vorbereitet, dich hier unten zu finden. Aber ich konnte dich auch nicht einfach wieder laufen lassen. Ich hatte ein geklautes Vorhängeschloss und wusste von diesem gruseligen Raum mit dem Gittertor. Also habe ich das Schloss eingesteckt und den Trick mit dem Küssen angewendet und der Rest, na ja … Tut mir leid.«
»Ich hätte mir so viele verschiedene Enden für diese Geschichte vorstellen können. Aber das hier ist keins davon. Das kann einfach nicht das Ende sein.«
»Wieso nicht? Wie wolltest du denn, dass es endet?«
»Ich weiß nicht. Wäre es total abwegig, sich ein Happy End zu wünschen?«
»Was für eins denn zum Beispiel?«
»Zum Beispiel könnten wir zusammen hier rausgehen und du könntest dir Hilfe bei irgendeinem genialen Psychiater holen und endlich begreifen, dass du dein ganzes Leben noch vor dir hast und wie schön und aufregend das sein kann, und vielleicht würdest du sogar was mit dem Psychiater anfangen, weil der zufällig total umwerfend aussieht und intelligent ist und außerdem bis über beide Ohren in dich verknallt.«
»Und was wäre mit dir, Ben Constable?«
»Ich würde nach Hause gehen und wäre ein bisschen weiser als vorher, aber noch genauso unschuldig. Und dann würde ich ein Buch schreiben und mir ziemlich toll vorkommen. Und wir zwei könnten uns hin und wieder auf einen Kaffee treffen und ganz viel reden und lachen.«
»Na, das klingt ja grandios langweilig. Wie wär’s denn mit etwas, das keiner hätte vorhersehen können? Einer anderen Person, die das Ganze eingefädelt hat, oder so?«
»Mir ist tatsächlich in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht in eine riesige Verschwörung oder so was geraten sein könnte. Ich
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