Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
Vom Netzwerk:
war doch sicher nicht der Sinn des Ganzen gewesen. Ein Teil von mir wollte sie wegstoßen, einen Streit mit ihr anfangen oder das alles sonst irgendwie in etwas komplexere, gehaltvollere Bahnen lenken. Aber vielleicht irrte ich mich auch. Vielleicht würde hierdurch ja alles wieder gut werden.
    Ich erwiderte ihren Kuss und unsere Finger berührten sich, umtanzten einander, mein Herz pochte und mein ganzer Körper kribbelte. Sie führte mich durch einen der Durchgänge, nach links, dann nach rechts, und ich ging schlurfend, um nicht zu stolpern. Ich war blind. Nichts, nur Finger, die meine Finger berührten, und eine Art schwermütige Freude darüber, dass ich meine Freundin wiedergefunden hatte und sie am Leben war. Denn genau so wünschte ich sie mir. Die Akustik veränderte sich, als wir in einen weiteren Raum gelangten. Sie führte meine Hände an eine Wand, kalt, und drehte mich zu sich um, drängte mich gegen den Stein, ihre Hand wanderte an mein Gesicht und ich spürte wieder ihre Zunge auf meinen Lippen.
    »Warte«, flüsterte sie, »ich bin in einer Sekunde wieder da.« Dann war sie weg.
    Herzklopfen. Sex. Gehirn. Moment mal … Ich hielt den Atem an, spürte, wie sie sich von mir entfernte. Adrenalin. Was ist eigentlich hier los? Panik. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Halt, warte. Denk erst mal nach. Nein. Nicht warten. Beweg dich. Leise. Beweg dich. Los.
    Ich streckte meine Hand nach links aus, hielt weiter den Atem an und versuchte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Okay, ein paar winzige Atemzüge. Winzig, ohne die Luft zu bewegen.
    Ich beugte leicht die Knie und verlagerte mein Gewicht. Dann machte ich einen Schritt, ganz klein, dann noch einen. Leise. Ich hörte immer noch, wie sie sich von mir entfernte. Meine Arme waren kein Problem, sie durften sich schnell bewegen. Meine Finger tasteten durch die Luft, mein ganzer Körper lauschte. Balance halten. Leise.
    Ich hörte, wie ihre Hand etwas streifte, die Form von etwas ertastete, ihre Finger sich in Position brachten, sich auf eine Bewegung vorbereiteten. Knie gebeugt, Atem anhalten, noch ein Schritt, diagonal in ihre Richtung, neben sie. Tasten – vergiss nicht, sie ist klein, aber du bist blitzschnell. Wenn sie sich rührt, weißt du, wo sie ist. Eine plötzliche Bewegung (Entschuldige, Butterfly; ich kämpfe ), ein lautes Geräusch, ein Kreischen, Metall auf Metall , ich kniff die Augen zu, um sie zu schützen, ein Klicken, das Geräusch kannte ich, es war ein Vorhängeschloss. Ich stand da wie versteinert – super Kampf, Ben. Sie hatte ein Tor zugeschoben und ein Vorhängeschloss zuschnappen lassen.
    »Butterfly?« Sie schnappte nach Luft; ich befand mich nicht dort, wo sie glaubte, mich zurückgelassen zu haben.
    »Tut mir leid«, flüsterte sie. Sie war auf der anderen Seite des Tors.
    »Schon okay«, sagte ich und meinte es ernst. Ich war am Leben. Sie ging weg, während ich noch überlegte, ob dies wohl die aufregendsten vier Sekunden meines Lebens gewesen waren.
    Ich tastete mich durch den Raum. Er war etwa drei Mal drei Meter groß und vollkommen leer. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte ich mit den Handflächen die Decke berühren. Es gab nur einen Ausgang und der war durch ein Gitter mit einem Vorhängeschloss blockiert. Das obere Scharnier war verkehrt herum angebracht worden, damit man das Tor nicht aus den Angeln heben konnte. Meine Hosentaschen waren leer. Alles, was mir hätte weiterhelfen können, befand sich in meiner Tasche in dem anderen Raum, wo außerdem meine Zigaretten und mein Feuerzeug auf dem Tisch lagen. Ich lief auf und ab und versuchte mein Gehirn darauf einzustellen, geduldig zu sein, doch schon nach zwei Minuten war mir furchtbar langweilig.
    »Butterfly!«, rief ich (nicht wütend, nicht zu laut). Nichts. »Butterfly, kann ich meine Zigaretten haben?« Plötzlich sehnte ich mich so sehr nach einer Zigarette, dass ich am liebsten losgeheult hätte.
    Nichts.
    Wie lange sollte ich hierbleiben? Ich machte das, was man auf keinen Fall tun sollte, wenn man warten muss, und begann zu zählen. Eins, zwei, drei, vier … So war mir jede Sekunde, die verstrich, bewusst, doch ich tat so, als wäre ich ruhig. Einfach abwarten, sagte ich zu mir. Sie kommt bestimmt gleich wieder. Tausend macht sechzehn Minuten und vierzig Sekunden.
    »Butterfly, ich will nur nicht, dass du mich hier vergisst. Ich habe Hunger und Durst und mir ist ein bisschen kalt und ich will rauchen, außerdem kann ich nichts sehen und müsste

Weitere Kostenlose Bücher