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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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und ich konnte nur hoffen, dass seine Pfoten sauber waren. Er streckte sich aus wie eine Sphinx – für eine normale Katze war er viel zu groß. Ich streichelte ihn mit dem Fuß, aber er beachtete mich gar nicht, sondern starrte bloß aus dem Fenster. Ich begann zu lesen.
    Tomomi Ishikawa war meine Freundin. Tomomi Ishikawa lag tot in meinen Händen. Mein Kopf machte komplett dicht, während ich die Seiten las. Kein Gedanke konnte entweichen. In meinen Augen standen Tränen, doch sie wollten nicht fließen. Ich sah auf meinen Brustkorb hinunter und beobachtete meinen Atem. Er ging langsam, gleichmäßig. Ich konnte mein Herz klopfen sehen, harte, kraftvolle Schläge. Schnell. Sehr schnell. Tomomi Ishikawa war tot und wie bei einer tiefen, entsetzlichen Wunde war mir der Schmerz bewusst, ohne dass ich ihn spürte.
    Ich versuchte, mir die fünf Phasen der Trauer ins Gedächtnis zu rufen: Schock, Verweigerung, Wut, Depression und Akzeptanz? Und was war mit Schuld, gehörte die auch dazu? Das hier musste die Schockphase sein. Ich stand absolut unter Schock. Ich wusste kaum, wie mir geschah. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, was ich tun sollte. Warum hatte ich sie bloß am Tag zuvor nicht angerufen? Es wäre so einfach gewesen. Wir hätten etwas trinken gehen können.
    Ich sah Cat an und er drehte mir den Kopf zu und blickte mir in die Augen. In diesem Moment wünschte ich mir, er wäre die Art von Katze, die sich neben einen quetscht und die negative Energie aus einem herauszieht oder was Katzen eben so machen. Aber Cat ist nicht so und das hat mehrere Gründe. Nummer eins: Cat ist keine normale Hauskatze. Er ist irgendeine Art von Wildkatze oder ein Luchs (oder etwas Ähnliches) und so groß wie ein Hund, ein ziemlich kleiner Hund zwar, aber immer noch ein ganzes Stück größer als eine gewöhnliche Katze. Er hat riesige Pfoten und macht sich nicht viel aus Streicheleinheiten. Außerdem gehört er nicht mir. Er kommt einfach hin und wieder mal vorbei und hängt ein bisschen bei mir rum. Grund Nummer zwei: Er existiert gar nicht. Er ist eine imaginäre Katze, aber das ist eigentlich ein Geheimnis.
    Ich stand auf, suchte nach meinem Handy und fand es schließlich in meiner Manteltasche. Mit dem Daumen scrollte ich durch meine Kontakte bis zu Butterfly (Fr) , drückte auf die grüne Taste und hielt mir das Telefon ans Ohr. Zunächst hörte ich gar nichts und sah auf das Display, um mich zu vergewissern, dass es auch wählte, dann lauschte ich weiter und es klingelte. »Komm schon, Butterfly, geh an dein Scheißtelefon!« Etwa nach dem fünften Klingeln meldete sich die Mailbox und ihre vertraute Stimme informierte mich auf Französisch, dass sie im Moment nicht erreichbar sei, mich aber so bald wie möglich zurückrufe. Im Hintergrund hörte ich mich selbst lachen, denn ich war dabei gewesen, als sie die Nachricht aufgenommen hatte. Ich legte auf. »Was soll ich denn jetzt machen, Cat?«
    Cat blickte mich an. Man sollte meinen, dass er als imaginäre Katze nicht unbedingt den Beschränkungen der Realität oder den Gesetzen der Wissenschaft unterliegt. Aber so ist es. Er kann zum Beispiel nicht sprechen, oder zumindest tut er es nie. Manchmal ist es, als könnte ich spüren, was er gerade denkt, und dann stelle ich mir vor, was er sagen würde, wenn er sprechen könnte, aber das ist dann quasi doppelt imaginär. Man könnte wohl sagen, Cats Existenz ist an die Regeln der realen Imagination gebunden.
    »Ach, Cat, hilf mir doch, ich weiß nicht, was ich machen soll.« Ich drückte mir die Fingerspitzen auf die Augenlider, als könnte ich dadurch mein Gehirn entlasten und wieder klar denken. Ich legte mich zurück aufs Bett, zog mir ein Kissen über den Kopf und presste es mir aufs Gesicht. In letzter Zeit hatte ich nicht besonders oft an Butterfly gedacht. Sie war ziemlich beschäftigt gewesen und ich hatte … irgendwelchen Kram gemacht. Sie musste verzweifelt gewesen sein und ich hatte irgendwelchen Kram gemacht. Kram. Verdammt. Ich spürte Cats Gewicht, als er über mich hinwegkletterte und meine Beine unangenehm in die Matratze drückte.
    Ich griff erneut nach meinem Handy und wählte Tomomi Ishikawas Nummer, doch diesmal sprang die Mailbox sofort an. Ich rief siebenmal in Folge an und jedes Mal hörte ich nur diesen Moment Stille und dann ihre Stimme vom Band. Das konnte nicht sein; beim ersten Mal hatte es doch auch geklingelt. Ihr Telefon hatte doch wohl kaum in den paar Minuten zwischen meinem ersten Anruf

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