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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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muß mich irgendwie entscheiden, aber ich weiß es nun wirklich nicht, was ich tun soll. Vielleicht können Sie mir einen Rat geben? Soll ich in Halmar bleiben und es aufs neue versuchen, oder soll ich mich für die große Stadt entschließen? Welchen Weg soll ich gehen?«
    »In der äußeren Lösung darf ich Ihnen nicht raten, die innere nannte ich Ihnen schon einmal, Herr Pastor, vor einigen Jahren. Sie haben es überhört. Es gibt nur einen Weg: nach Damaskus.«
    Pastor Haller schlang die Finger nervös ineinander und sah ins Weite.
    »Ich will es versuchen«, sagte er.
    *
    Am Abend machte sich Veronika an Johannes Wanderer heran, als sie allein waren.
    »Onkel Johannes«, sagte sie, »weißt du, was heute das Allerschönste war? Baron Bombe hat sich gar nicht selber den Kaffee auf seine weiße Weste geschüttet, sondern das hat Magister Mützchen getan. Hast du es nicht bemerkt, wie er ihm die Tasse umkippte? Ich freue mich jetzt noch so, wenn ich daran denke.«
    »Ich habe es nicht gesehn, Veronika, ich dachte wohl an andere Dinge. Aber es ist sehr ungezogen von Magister Mützchen.«
    Veronika schüttelte den Kopf.
    »Das mußt du nicht sagen, Onkel Johannes. Bedenke doch, daß Baron Bombe Mutzeputz beleidigt hat.«
    »Ich bedenke das«, sagte Johannes Wanderer, »aber die Strafe war doch etwas hart. Natürlich muß man es bei Magister Mützchen anerkennen, daß es hübsch ist, für seine Lebenskameraden einzutreten.«
    »Ja, nicht wahr? Ich hätte auch den Kaffee umgekippt, wenn ich es gekonnt hätte. Es war doch zu schön!« sagte Veronika.
    Mutzeputz saß vornehm auf einem großen Sessel und blinzelte aus halbgeschlossenen Augen hinüber. Er sah aus, als ob er lachte.
    Pastor Haller hatte in dieser Nacht nicht geschlafen. Er hatte bis zum Morgengrauen allein in seinem Arbeitszimmer gesessen, und er hat niemals zu irgend jemand ein Wort darüber gesagt, welche Gedanken in dieser einsamen Nacht bei ihm ein und aus gingen.
    Am Vormittag kamen die Leute aus Halmar, die sich angemeldet hatten, um den Pfarrer zu sprechen. Sie traten laut auf und hatten finstere und verbissene Gesichter. Eriksen war an ihrer Spitze, offenbar sollte er ihr Sprecher sein. Pastor Haller bat sie, sich zu setzen. Er selber blieb an seinem Schreibtisch stehen. Er sah blaß und übernächtig aus.
    »Ich weiß, was ihr sagen wollt«, begann er, »aber es ist besser, ihr laßt mich zuerst reden. Ich denke, daß sich dann alles Weitere erübrigt und ihr zufrieden sein werdet. Ihr wollt sagen, daß ich euch nicht der Pfarrer gewesen bin, den ihr braucht und den ihr euch wünscht. Damit habt ihr recht. Ihr wolltet euren alten Weg gehen, und ich versuchte euch einen anderen zu führen. Damit hatte ich unrecht, ich sehe das ein, und es tut mir leid. Ich habe mir Mühe gegeben, aber es war nicht die richtige Mühe, denn ihr wart Christus näher als ich. Ich bin ihm nun auch nahegekommen. Ihr habt auch recht, wenn ihr an Wunder glaubt. Es geschehen jeden Tag Wunder. Ich wußte das nicht. Ich weiß es jetzt, denn ich habe selber Wunder erlebt. Ich bin nicht reif, euer Pfarrer zu sein, ihr müßt einen besseren haben, und ich will helfen, ihn euch zu finden. Ich habe geäußert, daß ich in die große Stadt gehen will. Ich werde das nicht tun, ich will an einen viel kleineren Ort gehen, als es Halmar ist, um erst zu lernen, bis ich vielleicht einmal Pfarrer von Halmar werden kann. Wir wollen weiter nicht darüber reden, aber in großen Frieden voneinander scheiden, und ihr werdet es mir vergeben, wenn ich es nicht richtig gemacht habe.«
    Die Männer von Halmar standen von ihren Stühlen auf, einer nach dem anderen. Es war eine große Stille unter ihnen. Man hörte nur die Vögel draußen im Garten singen. Endlich sprach Eriksen, indem er verlegen den Hut in den Fingern drehte.
    »Der Herr Pastor hat recht«, sagte er, »wir sind sehr sündige Menschen. Aber wir wollen uns alle bessern, ja, das wollen wir.«
    Pastor Haller faßte sich mit der Hand an die Stirn.
    »Ihr habt mich nicht verstanden«, meinte er müde, »ich habe nicht von eurer Schuld gesprochen, sondern von meiner, und ich habe euch um Vergebung gebeten, damit wir in Frieden scheiden. Das ist alles.«
    »Wir haben den Herrn Pastor sehr gut verstanden«, sagte Eriksen, »wir haben es nicht gedacht, daß der Herr Pastor so reden würde. Wenn der Herr Pastor so redet, ist er viel besser, als wir sind. Er kann auch von seiner Schuld reden, weil er darüber hinausgekommen ist, und darum,

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