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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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nie etwas über seine weiße Weste gekippt«, verkündete Veronika schadenfroh und triumphierend.
    »Veronika, geh hinaus«, sagte die Mutter und bemühte sich, durch ihren Eifer an Baron Bombes Weste den Eindruck dieser vernichtenden Worte zu verwischen.
    Baron Bombe war übrigens ganz mit sich und seinem Unglück beschäftigt. So etwas geschah bei ihm wirklich nicht häufig, und nun mußte es gerade jetzt sein, wo Ulla Uhlberg dabei war. Sie sah zwar teilnahmsvoll aus, aber das konnte auch Heuchelei sein.
    »Das kann jedem passieren, und wenn das mir passiert, dann passiert mir das immer einige Male hintereinander«, tröstete Tante Mariechen.
    Doch Baron Bombe blieb bedrückt und empfahl sich bald darauf. Er fühlte sich unsicher in dieser entstellten Weste, und er vertrug es durchaus nicht, anders als sieghaft zu wirken.
    Kaum war er gegangen, erschien auch Veronika wieder. Sie tat, als wäre nichts vorgefallen, doch sie hatte sich zur Sicherheit Peter mitgebracht. Peter war eine Ablenkung, und alle erkundigten sich nach seinem Befinden. Er war etwas ratlos und versicherte, es ginge ihm gut.
    Regine rief Veronika zu sich. Sie schien ihr doch allzu vergnügt nach diesem peinlichen Vorfall.
    »Veronika, solche Bemerkungen darfst du nicht machen.«
    »Ach«, sagte Veronika, »wegen dem? Warum hat er Mutzeputz beleidigt? Ich habe Mutzeputz, Peter und Zottel erzählt, daß Baron Bombe den Kaffee über die weiße Weste gekippt hat, und sie haben sich alle gefreut. Auch die graue Frau stand dabei, und sie lachte sogar ein wenig. Sie war bestimmt auch sehr erfreut. Ich habe die graue Frau noch niemals lachen sehen.«
    »Mein Himmel, glaubt denn das Kind auch schon an Gespenster?« meinte Pastor Haller entsetzt, »du träumst wohl viele solche Sachen, Veronika?«
    »Das Kind hat manchmal Ideen«, sagte Tante Mariechen bekümmert. Ideen zu haben, schien Tante Mariechen stets bedenklich.
    Veronika hatte das Gefühl, daß die graue Frau bedroht war. Das war ja eine sonderbare Gesellschaft heute! Erst griff man Mutzeputz an und nun die graue Frau. Es fehlte nur noch, daß jemand etwas Abfälliges über Magister Mützchen sagen würde.
    »Ich habe das nicht geträumt, ich habe das gesehen«, sagte Veronika trotzig, »wenn ich träume, ist es ganz anders, aber auch dann ist es oft sehr wirklich, so wie es neulich war.«
    »Was hast du denn neulich geträumt, mein Kind?« fragte Frau Haller freundlich.
    Ihr schien es, daß ihr Mann etwas zu schroff zu Veronika gewesen war. Er war überhaupt zu schroff, ihrer Ansicht nach. Ihr Vater war darin anders gewesen, viel weicher und viel geduldiger. Du lieber Gott, warum soll man sich nicht ein bißchen für die Träume der Kinder interessieren? Nachher vergeht einem das Träumen schon – auch ihr war es lange vergangen.
    Veronika zögerte einen Augenblick.
    »Ich habe geträumt, daß Christus auf der Landstraße stand und dem alten Aron Mendel seinen schweren Kasten abnahm. Christus sah so aus, wie auf dem Bild in meinem Schlafzimmer.«
    Eine Weile war es still, und es fand niemand ein Wort.
    »Das ist ja ein schöner Traum«, sagte Pastor Haller endlich zögernd, »um so mehr, als Aron Mendel Jude ist.«
    Veronika sah ihm gerade ins Gesicht.
    »Es war kein gewöhnlicher Traum. Es ist schon wirklich, wenn ich so träume. Und Christus hat nicht gefragt, ob Aron Mendel ein Jude ist.«
    Da senkte Pastor Haller die Augen.
    »Du hast recht, Veronika«, sagte Johannes Wanderer, und Ulla Uhlberg nickte ihr zu.
    »Träumst du auch so schön?« fragte Frau Haller den blöden Peter.
    »Nein«, sagte Peter, »aber ich glaube es.«
    »Wollen wir in den Garten gehen«? schlug Tante Mariechen vor.
    Diese geistigen Gespräche waren ja vielleicht erbaulich, aber ihr schien es, es würde ein wenig zu ernst für eine Geburtstagsfeier. Auch weiß man nie, ob die Menschen dabei nicht streitbar werden, und das wollte Tante Mariechen durchaus nicht haben. Sie war für die mittlere Linie und für die Gemütlichkeit.
    Alle standen auf, um in den Garten zu gehen. Aber sie waren schweigsam geworden. Pastor Haller hielt Johannes Wanderer noch einen Augenblick im Hause zurück. Er sah blaß aus und kämpfte sichtlich mit sich selber.
    »Mir scheint es«, begann er leise, »dieses halbe Kind und dieser Blöde sind bessere Christen als ich.«
    »Ja«, sagte Johannes Wanderer ruhig.
    »Mir kommt das überraschend, es wirft vieles in mir um, Sie werden das vielleicht verstehen«, meinte Pastor Haller unsicher. »Ich

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