Die drei Lichter der kleinen Veronika
Geister von allen beiden gerufen, nun stehen sie um dich herum und tanzen mit dir. Sieh zu, wie du mit ihnen fertig wirst. Will nicht ein jeder etwas von deiner Seele? Hast du nicht ihnen allen flammende Kerzen entzündet und blühende Blumen zugeworfen? Die Geigen singen, die Flöten locken, und an bunten Festgewändern klingen die Schellen. Aber ferne singt die Brandung ihr Lied. Denke daran, Ulla Uhlberg. Ist nicht, mitten im Taumel des wirren Tanzes, ein Weinen in den Geigen, ein Klagen in den Flöten und in den Schellen ein Ton wie von zerbrochenem Glas? Ach, wer mag daran denken! Heute ist ihr Fest, das sie ihm bereitet, heute wie einstmals vielleicht – der Karneval von Florenz!
Auch Veronika tanzte unermüdlich, mit der ganzen Jugendkraft des ersten Erlebens, und es freute sie, daß sie begehrt war und daß sie gefiel. Oft erschien es ihr auch, als wäre es nicht zum ersten Male, daß sie in solchem Gewand und mit dem schimmernden Schmuck in den Haaren im Kerzenschein des Festsaales tanzte – war das nicht schon einmal gewesen, vor langer Zeit? Verschleiert, kaum greifbar, stieg eine ferne Erinnerung in ihr auf aus jener Traumnacht, die mit dem schrecklichen Mann in der roten Mütze und mit dem Lied der Marseillaise begann. War nicht eines jener Bilder, in das sie eintauchte, Florenz gewesen, und waren nicht Onkel Johannes und Ulla Uhlberg dabei, wie heute? Ja, ihr schien es, auch Ulla Uhlberg wäre dabeigewesen, ganz ähnlich wie heute, und in einem gleichen Kleid. Aber die Geigen sangen, die Flöten lockten, und Veronika dachte nicht mehr an die Nacht der vielen Bilder. Heute war sie ja hier auf Irreloh, heute war sie jung und froh und glücklich. Was sollte sie da an anderes denken? Nur flüchtig, auf einen Augenblick, kam ihr der Gedanke an den Spielgefährten, der einsam zu Hause geblieben war. Er tat ihr leid, aber es war doch gut, daß er nicht mit hierhergekommen war. Den armen Blöden hätten die Menschen auch unter der Maske erkannt. Sie aber hatte der Karneval des Lebens ergriffen, und sie gab sich ihm hin mit allen Sinnen, und wenn gar Johannes Wanderer mit ihr tanzte, dann war es ihr, als versänken die Menschen, die Kerzen und Blumen um sie, und die Zeit stände still.
Ach, kleine Veronika, die Zeit steht niemals still – und die Uhren von Irreloh schlugen Stunde um Stunde ...
Veronika war unter den letzten Gästen, die gingen.
Sie sah sich vergeblich nach Johannes Wanderer um. Vielleicht war er in einem anderen Gefährt, es waren so viele. Die Pferde zogen an, und der Schlitten glitt in die Winternacht. Veronika fröstelte, und sie schlang sich ihr Seidentuch enger um Hals und Schultern. Ihr war es, als habe sie Fieber.
Der Schnee fiel in großen Flocken.
*
Im Saal von Irreloh war jene fahle Stimmung erlöschender Kerzen und welkender Blumen, in der alle rauschenden Feste enden. An den Karneval des Lebens reiht sich immer der Aschermittwoch. Auf dem Brokat der Möbel lag hier und da eine vergessene Maske. Wie viele hatten heute die Maske wirklich abgelegt, wie viele hatten sie vor dem Gesicht behalten? Wie fremd sind sich fast alle die Menschen, die singende Geigen und lockende Flöten zusammengerufen für einige flüchtige Stunden!
Ulla Uhlberg stand vor Johannes Wanderer. Sie waren allein im Saal.
»Johannes«, sagte sie, »komme noch einen Augenblick zu mir hinauf. Ich will diesen Tag mit dir beschließen. Es war ja unser Karneval, der Karneval von Florenz!«
Johannes Wanderer folgte ihr schweigend.
Ulla Uhlbergs Boudoir war in zartem Rot gehalten. Alte italienische Möbel standen darin, und ihre goldenen Beschläge blitzten im Kerzenschein des Kronleuchters. Vor einem Ruhebett reckten rote Rosen die Kelche aus einer kristallenen Vase. Es war sehr still im Raum, jene Stille der Übermüdung war über allem, in der man sich danach sehnt, auszuruhen und irgendwo geborgen zu sein.
»Johannes«, sagte Ulla Uhlberg, »war dies nicht wirklich der Karneval von Florenz? War das alles nicht schon einmal, und wir beide waren dabei, wie heute? Weißt du es, wann das war?«
»Das ist lange her, Ulla, es war im Jahre 1527 zu Florenz.«
Ulla Uhlberg wandte sich ab.
»Das war, als die Pest nach Florenz kam, Johannes, ein schrecklicher Gedanke.«
»Du weißt gut Bescheid mit der Geschichte von Florenz, Ulla.«
Ulla Uhlberg lächelte.
»Wie sollte ich nicht? Ich habe mich viel damit beschäftigt, als ich in Italien reiste.«
»Du hast auch manches von dieser Geschichte erlebt,
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