Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
suchen, und der darum meinte, ein Kataplasma von lebendigem Menschenfleisch könnte nicht nur das Herz des Königs heilen, sondern auch ihm selber ein Pflaster sein auf seine Wunde, will sagen auf seinen leeren Beutel ... und wer den Hof von Frankreich und den guten König kennt, weiß, ob der Spanier sich hierin verrechnet hat.
Als darum an den genannten Obristen wieder die Reihe kam, im Gemach des Königs aufzuwarten, fragte er respektvollst, ob der König in Gnaden geneigt wäre, ihm eine Frage zu erlauben, an deren Beantwortung ihm mehr liege als an einem päpstlichen allgemeinen Ablaß. Bei dieser Rede trat der König ein wenig aus seiner finstern Melancholie heraus, machte eine kleine Bewegung in seinem Sessel und gab ein Zeichen, daß er einwillige. Der Obrist bat ihn, es nicht in Ungnaden aufzunehmen; wenn er eine allzu freie Sprache führe. Niemand sei es unbekannt, was für ein gewaltiger Eroberer der König sei, nämlich Eroberer von Weibern, und da möchte er gern aus des Königs eignem Munde hören, ob die Damen an seinem Hofe in Liebessachen wirklich so gelehrt und gelehrig wären, als man sagt. Der arme König, der sich bei diesen Worten an die schönsten Augenblicke seines Lebens erinnerte, seufzte tief auf und versicherte, daß keine Frauen der Welt, die auf dem Mond mit eingerechnet, den Damen Frankreichs in dieser alchimistischen Geheimwissenschaft gleichkämen und daß er in Erinnerung an ihre süßen, zarten und heftigen Liebkosungen sich Manns genug fühle, um mit einer jeden von ihnen auf einem fauligmorschen Brett tausend Klafter über einem Abgrund den bekannten Ritt ins gelobte Land zu wagen.
Indem der König, brünstig wie nie in seinem Leben, dies sagte, schoß ihm derart das innere Feuer aus den Augen, daß der Obrist, ein tapferer Krieger, bis ins Gedärm hinein erschrak, so flammte und loderte die allerheiligste Majestät im Feuer wahrhaft königlichen Temperaments. Doch nahm sich der Spanier ein Herz und fing an, das Lob der spanischen Damen zu singen, ja er rühmte sich, daß man allein in Kastilien wisse, was Liebe ist. Denn hier seien die Damen inbrünstiger in der Religion als in irgendeinem Lande der Welt, und je mehr die Frauen Angst hatten vor der ewigen Verdammnis, mit um so größerem Ungestüm und um so ungezügelter würden sie vorgehen, wenn sie sich einmal einem Geliebten ergäben, weil sie sich bewußt wären, daß sie sich für das Glück einer ganzen ewigen Seligkeit zum voraus bezahlt machen müßten. Und wenn der König, setzte er hinzu, eine der besten und einträglichsten Domänen seines Königreichs dagegen wetten wolle, sei er, sein ergebenster Knecht, in der Lage, ihm eine Liebesnacht zu verschaffen, die derart mit spanischem Pfeffer gewürzt sein sollte, um sich die Seele aus dem Leibe zu husten, wenn er sich nicht sehr in acht nähme.
»Eingeschlagen!« rief der König, indem er von seinem Sitz aufsprang, »ich gebe dir, bei Gott! die Domäne Ville-aux-Dames im Land Touraine mit allen Privilegien der Jagd und der hohen und niedern Gerichtsbarkeit.«
Der Obrist kannte die Konkubine des Kardinal-Erzbischofs von Toledo; sie hatte er dazu ausersehen, den König mit der Flut ihrer Zärtlichkeit zu ersticken und ihm die hohe Überlegenheit der kastilianischen Phantasie über die gewöhnlichen Spitzfindigkeiten der Französinnen durch die Tat zu beweisen. Und die Marquesa war ihm gern zu Willen, einmal zur Ehrenrettung Spaniens und dann, weil sie doch gern gewußt hätte, aus was für einem Teig der liebe Gott die Könige gemacht hat, sintemal sie bis dato nur Kirchenfürsten gekannt hatte. Sie kam also und war ungestüm wie eine Löwin, die ihren Käfig durchbrochen hat. Und derart brockte sie es dem König ein – als ob sie ihm alle Knochen im Leib und das Mark zerbrechen müsse –, daß es wahrlich mit jedem andern Matthäi am letzten gewesen wäre. Aber dieser König war so gut ausgestattet und so gut ausgehungert, er biß so gut, daß er keine Zeit hatte, Bisse zu fühlen. Doch war's ihm zumute nach dem Zweikampf mit der schrecklichen Marquesa, als ob er den Teufel zur Beichte gehört hätte.
Der Obrist, der keinen Augenblick an seinem Erfolg zweifelte, kam, um dem König seine Aufwartung zu machen und ihm für das Lehen zu huldigen. Spöttisch sagte ihm der König, daß die Hispaniolinnen wahrlich nicht wenig Temperament hätten und derb zugriffen, daß sie aber auch dort ein allzu frenetisches Con fuoco anschlügen, wo ein zärtliches Adagio
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